Der Geliebte der Königsbraut: Historischer Roman (German Edition)
Verhandlung erboste Wittiges so sehr, dass er Gogo nachging und um eine kurze Unterredung bat.
Widerwillig winkte Gogo ihn in sein Zelt. „Was gibt es noch?“
„Du weißt so gut wie ich, dass Ingomer und Falco Meineide geschworen haben. Alexander hat nichts gestohlen“, erklärte Wittiges brüsk. „Und doch hast du eine Anweisung nach Marseille geschickt, ihn zu verkaufen. Warum? Warum hasst du ihn so sehr? Was hat er dir oder Falco und Ingomer getan? Nichts! Eure fränkische Gerechtigkeit zeigt äußerst seltsame Züge und ist von Unrecht nicht zu unterscheiden.“
Gogo maß ihn mit einem undurchdringlichen Blick. „Bist du fertig? Ich gebe zu, dass ich keineswegs von der Schuld deines Dieners überzeugt bin. Deshalb hatte ich eine Anweisung an den Comes von Marseille gesandt, den Sklaven auf ein Schiff zu bringen und nach Toledo zurückzuschicken. Ich hab’s schon einmal gesagt: Ich habe nicht damit gerechnet, dir oder diesem Alexander noch einmal zu begegnen. Ihr beide wärt in Toledo am besten aufgehoben, dort gehört ihr hin. Aber das scheinst du immer noch nicht begriffen zu haben.“
Aufgebracht schüttelte Wittiges den schmerzenden Kopf. „Der Comes hat mir glaubhaft versichert, dass Alexander als Rudersklave auf ein Schiff verkauft werden sollte. Und er ist in der Haft schwer misshandelt worden.“
Gogos Miene wurde noch finsterer als gewöhnlich. „Hast du das Schreiben mit meiner angeblichen Verfügung gelesen?“
„Nein“, antwortete Wittiges nachdenklich, „das mir ist ausdrücklich verwehrt worden.“ Einen Moment schwankte er noch, wem er Glauben schenken sollte, dann verstand er, was geschehen war. Der Comes hatte der Versuchung, sich zu bereichern, nicht widerstehen können. Er hatte Alexander zusammen mit anderen Gefangenen verkaufen wollen, um den Erlös in die eigene Tasche zu stecken. Und wer mochte wissen, wohin er Alexander verkauft hätte. Sicher nicht als Rudersklaven auf ein Schiff. Ein junger, schöner Eunuch war dafür viel zu wertvoll. Wahrscheinlich wäre Alexander im Haushalt eines reichen Mannes verschwunden, um dessen perverse Lüste zu befriedigen.
Am Abend des Tages hockten die drei zusammen in ihrem Zelt, Wittiges und Alexander niedergeschlagen und gedemütigt. Als einziger ließ sich Pontus das Essen schmecken. Als sich alle zum Schlafen niederlegen wollten, wurde Wittiges herausgerufen. Einer der Krieger Brunichilds stand draußen und richtete ihm aus, die Prinzessin warte auf die Nachricht aus Toledo, die er immer noch bei sich trug.
Brunichild hatte alle aus dem Zelt gewiesen. Sie wollte nicht durch plappernde Damen und Dienerinnen beim Nachdenken gestört werden. Nur Aletha war geblieben, aber die schien ohnehin nicht zum Reden aufgelegt zu sein.
Beim Abschied nach dem Überfall hatte Chilperich Brunichild etwas zugeflüstert, das sie zutiefst verstört hatte. „Schade“, hatte er ihr ins Ohr geraunt, „jetzt wirst du mir doch nicht gehören.“ Und damit war ihr einiges klar geworden. Er hatte die Gelegenheit nutzen und sie entführen wollen, um sie zu seiner Frau zu machen und seine Brüder vor vollendete Tatsache zu stellen, eine ebenso barbarische wie verwegene Tat. Er war bereit gewesen, ihretwegen einen Bruderkrieg anzuzetteln, denn darauf wäre es zweifellos hinausgelaufen. Der Gedanke erregte und verwirrte sie gleichermaßen. Denn immerhin hatte Chilperich ihr Einverständnis vorausgesetzt – oder etwa doch nicht? Hätte er sie auch gegen ihren Willen entführt? Diese Frage hätte er nur selbst beantworten können, aber er hatte sich davongemacht. Später hatte Gogo sie aufgesucht und ihr dringend geraten, in Zukunft immer in der Nähe seiner Wachen zu bleiben. Bevor er ging, hatte er noch die Nachricht erwähnt, die für sie aus Toledo eingetroffen war. Ob sie sie schon erhalten habe und ob sie etwas Wichtiges enthalte, was sie ihm mitteilen wolle?
Wer die Nachricht bei sich hatte, lag auf der Hand.
Kaum hatte Gogo sie verlassen, schickte Brunichild Aletha mit der Botschaft zu Wittiges, er solle sich umgehend samt dem Schreiben aus Toledo bei ihr einfinden.
Wittiges betrat das Zelt ohne Ankündigung. Er konnte gerade darin stehen, ohne den Kopf einziehen zu müssen. Und diesen Kopf trug er für ihren Geschmack eindeutig zu hoch. Kalt, unversöhnlich und hochmütig erwiderte er ihren Blick.
„Du bist also wieder da!“, sagte sie bitter.
„Tut mir leid, dass sich niemand darüber freut, mich zu sehen. Und es tut mir leid, dass ich nicht
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