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Der Geliebte

Titel: Der Geliebte Kostenlos Bücher Online Lesen
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Zivilisation zu entreißen, um sie hier im tiefen, zurückgebliebenen Süden Frankreichs den Analphabeten zu überlassen.
    Die Vorstellung gefiel mir nicht.
    So heimatlos und schlecht ich mich auch fühlte, ich vertrug es nicht, wenn jemand unsere Entscheidung, nach Frankreich zu gehen, schlechtmachen wollte. Je mehr Miranda auf ihren unbegründeten Vorurteilen beharrte, desto größer wurde mein Bedürfnis, ihr zu erzählen, wie toll es hier war.
    »Und wie ist es mit dem Einkaufen, findest du alles, was du so brauchst? Auch Erdnussbutter und so weiter? Oder gibt es vor allem Produkte aus der Region?«
    Produkte aus der Region.
    Ich musste dieses Gespräch so schnell wie möglich beenden, sonst geriet ich immer mehr in die Defensive.
    Außerdem hatte ich Isabelle und Bastian versprochen, dass wir in die Stadt fahren und etwas Schönes für sie kaufen würden. Dann konnte ich auch gleich Geld abheben. Für Peter.
    »Oh, Miranda, ich muss die Kinder von der Schule abholen, fällt mir gerade auf. Bis bald, ja?«
    Ohne ihre Reaktion abzuwarten, legte ich auf.
    Es war ganz sonderbar, aber erst in diesem Augenblick wurde mir richtig bewusst, dass meine Freundschaft mit Miranda vorbei war, dass wir jetzt in verschiedenen Welten lebten. Ich hatte ihr nicht mal erzählt, dass ich demnächst in die Niederlande käme. Meine Freundschaft zu Erica hatte besser gehalten. Erica wollte ich gern wiedersehen und Erics Familie auch, Miranda nicht.
    Eric würde mitkommen. Das hatte er mir versprochen, nachdem wir gestern Abend unseren Streit beigelegt hatten. Unseren ersten echten Streit seit Jahren. Es war eigentlich ein Wunder, dass die Bombe nicht schon früher hochgegangen war.
    Während ich auf dem Parkplatz des LeClerc eine freie Lücke suchte, wurde mir bewusst, dass ich quasi den ganzen Vormittag über an Michel gedacht hatte. Und nicht nur den Vormittag über. Bis vier Uhr nachts hatte ich in völliger Dunkelheit wach gelegen. Dicht neben mir hatte ich Eric tief und ruhig atmen gehört und überlegt, was Michel bei diesem verwirrenden Anruf genau gesagt hatte. Er hatte gefragt, ob ich alleine sei, aber ansonsten hatte er so schnell gesprochen, dass ich nichts richtig mitbekommen hatte. Ich überlegte, ob er tatsächlich gesagt hatte, er sei in den Niederlanden, aber je länger ich darüber nachdachte, desto mehr Unordnung breitete sich in meinem Kopf aus. Ich wusste es wirklich nicht mehr. Wahrscheinlich war nicht bloß die Sprachbarriere schuld an dieser gescheiterten Kommunikation. Zu einem hysterischen Zusammenbruch hatte gestern Abend auch nicht viel gefehlt. Wie lange ich eigentlich dort auf der Treppe gesessen und wie ich schließlich in die Küche gelangt war, wusste ich auch nicht mehr.
    Mittlerweile hatte ich mich etwas beruhigt, nachdem Eric mir versichert hatte, dass er sich nicht auf irgendwelche Geschäfte mit Peter einlassen würde, wenn ich es nicht wollte. Das hatte mich aufatmen lassen.
    »So, da wären wir.«
    Ich stieg aus und hielt den Kindern die hintere Autotür auf. Im Einkaufszentrum herrschte großes Gedränge. Es gab Stände mit Kuchen und Süßigkeiten, Keramikvasen und Schalen, eine Lautsprecherstimme schallte über unsere Köpfe hinweg. Es lief Musik, eine Modenschau war in vollem Gange. Vor dem Bankomat gab es eine lange Schlange, also beschloss ich, erst die Geschenke kaufen zu gehen.
    In dem Spielwarenladen war am allermeisten los. Das Weihnachtsgeschäft war angelaufen.
    »Bastian, wir suchen jetzt erst das Geschenk für Isabelle aus und dann das für dich. Aber du musst bei uns bleiben, hier ist es nämlich ganz schön voll, und ich möchte nicht, dass du plötzlich verschwunden bist.«
    »Ich kann doch schon Französisch«, entgegnete er seelenruhig. »Wenn du weg bist, kann ich sagen, wer ich bin und wo ich wohne. Und wie du aussiehst und so.«
    Ich drückte den widerspenstigen kleinen Troll an mich. »Das weiß ich, Schatz, aber es gibt auch Leute, die dich gar nicht zu deiner Mutter zurückbringen wollen. Das weißt du doch, oder? Das hat Mama dir doch schon oft genug gesagt.«
    Bastian schaute um sich. »Hier sind überall nur Eltern, keine bösen Männer«, sagte er in herausforderndem Tonfall. »Und ich bin kein Baby mehr.«
    »Nein, aber bleib jetzt bitte trotzdem bei mir.«
    Ich dirigierte ihn in einen Gang, der von der Farbe Rosa dominiert wurde. Isabelle gingen die Augen über. Bastian blieb an meiner Seite, wenn auch widerwillig.
    Die Jungs von der Bautruppe wussten bestimmt, wo

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