Der Geliebte
uns. Ich durfte ihm nicht wehtun. Und ich wollte ihn nicht verlieren. Nicht mein Leben mit ihm und den Kindern.
Aber das würde ich.
Dass ich ihn betrogen hatte, in seinem eigenen Auto, in seinem eigenen Bett, würde sein Vertrauen kaputtmachen. Alles zerstören, woran er glaubte, alles zunichtemachen, was ihm etwas bedeutete. Meine Worte würden ihm in der Seele brennen und unsere Familie immer weiter auseinandertreiben, bis nach einem langen, schmerzhaften Prozess nichts mehr übrig wäre, was noch Familie genannt zu werden verdiente.
Das Telefon klingelte und riss mich aus meinen Grübeleien. Mechanisch nahm ich ab.
Es dauerte einen Augenblick, bis ich begriffen hatte, dass ein Franzose am anderen Ende war, der im Namen irgendeiner Firma anrief und Eric sprechen wollte.
»Moment«, sagte ich und ging in den rechten Flügel. In diesen Teil des Hauses kam ich am seltensten. Ein Flur mit mehreren Zimmern, an dessen Ende eine schmale Wendeltreppe in den Turm hinaufführte. Durch ein kleines Fenster fiel weiches Licht auf die dunklen Holzdielen. In dem Strahlenbündel sank aufgewirbelter Staub langsam zu Boden, der mit Isolationsmaterial, Sägespänen, Thermofolie und leeren Plastikflaschen übersät war, die wahrscheinlich noch vom letzten Sommer dort lagen. Es war ziemlich dämmrig.
Von irgendwoher kam Gehämmer. Da hörte ich in der Nähe plötzlich Erics Stimme. Ich verlangsamte meine Schritte.
»Ich weiß nicht, ob das klappt. Simone hat sich in den Kopf gesetzt, dass sie nicht hierbleiben will. Vielleicht überlegt sie es sich nochmal anders, wenn der Winter vorbei ist, aber im Moment würde ich nicht meine Hand dafür ins Feuer legen. Wenn sie dabei bleibt und wir wieder ein Haus in den Niederlanden kaufen müssen, habe ich wirklich keinen müden Cent mehr übrig. Denn über eines mache ich mir keine Illusionen: Diese Hütte hier kriegen wir nicht von heute auf morgen verkauft. Das kann ein Jahr dauern, wenn nicht länger.«
Stille.
Ich blieb im Flur stehen. Das Herz schlug mir bis zum Hals.
»Soll ich mal mit ihr reden?«
Peters Stimme.
»Ich glaube, das hat keinen Zweck«, hörte ich Eric antworten. »Aber nett, dass du’s anbietest.«
Ich wartete kurz, hörte aber bloß noch den Lärm von Hämmern und Sägen.
Das Gespräch war beendet. Ich hüstelte kurz, betrat dann den Raum und ließ den Blick von Eric zu Peter wandern und wieder zurück. Peter lächelte freundlich.
Sie hatten mich stillschweigend ausgeschlossen.
»Da ist jemand für dich am Telefon. Ein Monsieur Gaudon oder so.«
»Ah, darauf hab ich schon gewartet. Das ist wegen des Ofens.«
Eric ging an mir vorbei aus dem Raum, und ich heftete mich an seine Fersen.
»Wann haben Sie Ihr Portemonnaie zuletzt gesehen?«, wiederholt der Dolmetscher.
Ich krümme mich, presse die Arme an den Magen und verziehe das Gesicht zu einer Grimasse des Schmerzes.
Mein Portemonnaie … das ist es. Der Beweis. Das Bindeglied in der Kette. Ein klitzekleiner Moment der Unachtsamkeit.
Ich konnte doch zu dem Zeitpunkt nicht wissen, dass …
»Ich weiß es nicht«, sage ich. »Ich glaube … ich glaube, am Freitag.«
»Beim Einkaufen, Freitagabend, im LeClerc?«
Plötzlich weiß ich es wieder. Ich habe mit Erics Karte bezahlt, weil meine irgendwie kaputt ist und manchmal nicht funktioniert. Ich hatte es eilig am Freitag, ich wollte so schnell wie möglich weiter. Keine Zeit damit verlieren, ob meine eigene funktionierte oder nicht. Also habe ich der Kassiererin gleich die von Eric hingelegt. Ich hatte sie mir extra noch von ihm geben lassen, und vor dem Schlafengehen hatte ich sie auf den Küchentisch gelegt.
»Nein«, sage ich, »da habe ich mit der Karte von meinem Mann bezahlt.«
»Die befand sich also nicht in Ihrem Portemonnaie?«
»Nein, in meiner Jackentasche. Meine eigene Karte funktioniert manchmal nicht, also habe ich die von meinem Mann mitgenommen und mit der bezahlt.«
»Und Ihr Portemonnaie?«
»Ich glaube … ich weiß es nicht.« Der Schweiß brach mir aus. »Ich … ich glaube, das hatte ich gar nicht dabei.«
»Weil Sie es verloren hatten?«
»Ich weiß nicht mehr. Ich glaube, ich hatte es nicht mit.«
»Für uns ist wichtig, wann Sie Ihr Portemonnaie zum letzten Mal gesehen haben.«
Ich schlucke. Es läuft mir kalt den Rücken hinunter. »Freitag, glaube ich. Oder Donnerstag.«
»Wo legen Sie Ihr Portemonnaie hin, wenn Sie zu Hause sind? In eine Kommode, eine Schublade?«
»Mal hier, mal dort«, sage ich. »Meistens
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