Der Geliebte
lege ich es einfach auf die Spüle, manchmal auf den Tisch, oft lasse ich es auch in der Jackentasche. Oder es bleibt im Auto liegen.«
»Ist es denkbar, dass jemand bei Ihnen zu Hause war und Ihr Portemonnaie mitgenommen hat?«
Plötzlich glüht wieder ein Fünkchen Hoffnung in mir auf. »Ja, das kann sein.«
»Sagt der Name Peter Vandamme Ihnen etwas?«
Ich schließe die Augen. »Mir ist so übel«, wimmere ich. »Ich muss mich übergeben.«
Im nächsten Moment kippe ich vornüber. Galle schwappt mir aus dem Mund, tropft auf den Fußboden.
Die beiden reagieren nicht.
»Stimmt es, dass der Herr Peter Vandamme Ihr Haus saniert hat?«
Mit dem Kopf zwischen den Knien starre ich die schleimige Pfütze auf dem Laminat an. »Ja«, sage ich zitternd, »das stimmt.«
Mit einem Mal ändert sich sein Tonfall. »Sie wissen, dass dieser Mann, der von Ihnen beauftragte Bauunternehmer, am letzten Freitagabend gegen halb elf ermordet worden ist?«
Ich blicke auf. »Ja. Das sagten mir die Beamten gestern bei der Verhaftung.«
42
Schlafmittel sind nicht besonders gut geeignet, um jemanden zu vergiften. Antidepressiva schon. Sogar besonders gut. Bei Rodez, dem Medizinmann des Dorfes, wären sie wahrscheinlich sogar leicht zu bekommen, aber wenn in Peters Leichnam entsprechende Rückstände gefunden würden, stünde ich auf der Liste der Verdächtigen ganz oben. Rodez führte ja vermutlich Buch darüber, was er seinen Patienten verschrieb, und bei der Apotheke registrierten sie wahrscheinlich ebenfalls, welche Medikamente sie ausgaben.
Und das Internet? Ein fantastisches Medium, klar, bei irgendeinem halblegalen oder illegalen Labor in Amerika konnte ich bestimmt problemlos ein paar Schachteln bestellen. Aber was für eine Versandadresse sollte ich da angeben, und wie sollte ich bezahlen, ohne dabei eine Spur zu hinterlassen? Peter mit Medizin zu vergiften fiel also weg.
Die beste Option schienen pflanzliche Mittel zu sein. Tödliches Grünzeug wie Wunderbaum oder Fingerhut, etwas in der Art. Nachdem ich mich im Internetcafé eine Dreiviertelstunde lang über allerlei Giftpflanzen und ihre Bestandteile informiert hatte, tippte ich Peters Namen in eine Suchmaschine ein. Gefunden wurde weltweit nur eine einzige Person namens Peter Vandamme. Und es war nicht unser Peter. Aber wenn er tatsächlich auf der Flucht war, wäre es auch ziemlich dumm von ihm gewesen, unter seinem eigenen Namen im Internet aufzutauchen.
Und dumm war Peter nicht.
Also war mein Tun völlig sinnlos. Im Grunde wusste ich das auch. Vielleicht war ich bloß hier, um mir selbst vorzugaukeln, dass ich in der Lage wäre, mein Leben aus eigener Kraft wieder unter Kontrolle zu bekommen.
Ich loggte mich aus, bezahlte und trat auf die Straße hinaus. Draußen zog ich den Aufschlag meines Mantels zusammen und lief mit gesenktem Kopf und zusammengekniffenen Augen durch den Regen zum Auto. Aus dem Augenwinkel sah ich hinter unserem Volvo einen Geländewagen stehen. Dunkler Lack. Jemand saß hinter dem Lenkrad.
Mein Herz setzte einen Schlag aus, um dann plötzlich wild draufloszuhämmern. Peter.
Er stieg aus und kam eilig auf mich zu. Der Regen lief ihm in Strömen über das blasse Gesicht. »Ich muss mit dir reden.«
Ich sah ihn an. Wasser lief mir in den Mantel und unter die Kleidung. Ich bibberte. »Warum?«
»Komm kurz mit zum Wagen, da können wir in Ruhe reden.«
Ich schüttelte den Kopf. Unter keinen Umständen würde ich mich in Peters Auto setzen. Ich umklammerte meinen Schlüsselbund etwas fester.
Plötzlich fasste er mich am Arm und wollte mich mitziehen. Ich sträubte mich und wäre fast hingefallen.
»Simone, ich tu dir nichts. Ich …«
Atemlos sah ich ihn an.
»Warte …«, sagte er.
Ohne meinen Arm loszulassen, langte er in seine Hosentasche und zog ein paar Geldscheine heraus, Fünfziger und Hunderter. Es war ein ganzer Batzen Geld, den er mir da in die nasse Hand drückte. Er nötigte mich, die Finger darum zu schließen, wie ein netter Opa, der seinem Lieblingsenkelkind heimlich Geld zusteckt.
Verdutzt starrte ich auf meine geschlossene Faust. Das war sehr viel Geld.
»Steck’s weg«, sagte er. »Es ist deins … euers. Ich will … ich muss kurz mit dir reden. Bitte.«
Zutiefst überrascht sah ich ihn an, wollte schlucken, aber mein Mund war wie ausgetrocknet. In meinen Ohren war ein Sausen. »Ich … ich verstehe nicht.«
Peter sah mich mit einem Blick an, den ich unter normalen Umständen verzweifelt genannt hätte,
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