Der Geliebte
sie mit ihm losgezogen, um in Spanien eine Kneipe aufzumachen, und ich habe mich halbtot gesoffen. Von einem Tag auf den anderen saß ich alleine da. Das hat mich fertiggemacht. Ich hatte eine ziemlich schwere Zeit. Viel hat nicht gefehlt, und ich hätte das Handtuch geschmissen. Ich hatte schon so einiges hinter mir, aber das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.«
Ich wagte nicht, ihn zu unterbrechen.
»Du siehst ihr sehr ähnlich. Als ich dir zum ersten Mal begegnet bin, bin ich darüber richtig erschrocken. Deshalb wollte ich am Anfang auch unbedingt selbst bei euch mitarbeiten. Das ist nicht deine Schuld. Du bist nicht sie, aber das steckte so in meinem Kopf. Ich musste viel an dich denken. Und als ich dich an diesem Morgen mit Michel zusammen sah, sind bei mir alte Erinnerungen hochgekommen. Gar nicht mal sofort, erst etwas später, aber dann wurde ich sie nicht wieder los. Und ich wurde wieder gallig. Alles, was ich so lange verdrängt hatte, kam wieder hoch, ich wurde immer wütender. Auf Michel, auf dich und auf mich selbst. Aber darum ging es nicht. Wirklich nicht. Du musst einfach wissen, dass es nicht um dich ging. Ich wollte in Wirklichkeit nicht dich bestrafen, sondern Véronique.«
Aus meinem Teeglas stieg warmer Dampf auf. Ich verzichtete darauf, den Teebeutel hineinzuhängen. Ich verspürte keinerlei Durst.
»Weißt du«, fing Peter wieder an - sein Redefluss war so stockend, dass ich gut aufpassen musste, nicht den Faden zu verlieren -, »Eric ist ein netter Kerl. Ich habe ihn immer mehr ins Herz geschlossen. Seine Familie bedeutet ihm alles. Wo immer er kann, tut er sein Bestes. Als ich dann dich mit Michel …« Er wandte den Blick ab. »Wie auch immer, das muss jetzt mal vorbei sein. Im Prinzip bestehle ich auf diese Weise ja auch Eric, und das möchte ich nicht. Mein Geld ist alle. So einfach ist das. Ich habe es im Augenblick weiß Gott nicht leicht. Aber das ist mein Problem. Einzig und allein meins.«
Er schwieg. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte.
Als Peter den Arm ausstreckte, um meine Hand zu ergreifen, zog ich sie zurück. Ein Schatten huschte über sein Gesicht. »Du brauchst keine Angst mehr vor mir zu haben. Ich lasse dich ab sofort in Ruhe. Man kann hier gut leben, wirklich. Vielleicht habe ich dir das ein bisschen verdorben … aber ich hoffe, dass du nochmal darüber nachdenkst. Die Dinge nochmal von meiner Warte aus betrachtest. Es tut mir leid. Es tut mir wirklich leid.« Peter sah mich so aufrichtig an, dass es fast schon wehtat. »Eric hat mir erzählt, dass du in die Niederlande zurückwillst. Ich fürchte, das ist meine Schuld. Aber vielleicht kannst du es mit der Zeit ja wieder genießen, das schöne Wetter hier und euer neues Haus … Vielleicht … denk nochmal drüber nach.« Er nahm einen ordentlichen Schluck Whisky. »Na komm, trink was.«
Ich starrte das Teeglas an und hängte den Beutel hinein. »Du hast das also nur wegen deiner Exfreundin getan?«
Er nickte. »Ja … Es hatte nichts mit dir, Michel oder Eric zu tun. Na ja … vielleicht ein bisschen. Ich war schon auch eifersüchtig. Ich hab den Jungen aus der Gosse geholt, verdammt. Er war völlig neben der Spur damals. Er hat in Heimen gesessen, gekokst, gekifft, alles kurz und klein geschlagen, was sich ihm in den Weg stellte … er war extrem selbstzerstörerisch. Hat sich für nichts und niemandem mehr interessiert.« Peter setzte ein einfältiges Grinsen auf und fuhr sich nervös mit der Hand durchs Haar. »Aber das ist natürlich ein ganz anderes Thema.«
Allmählich beruhigte ich mich.
»Das war echt daneben von mir. Es tut mir leid. Ich brauchte einfach Geld. Keine Ahnung, was ich mir da in den Kopf gesetzt hatte. Ich hoffe nur, dass du das alles hinter dir lassen kannst. Meinst du, das geht?«
»Ich weiß nicht mehr, was ich denken soll«, sagte ich wahrheitsgemäß. »Tut mir leid.«
Warum entschuldigte ich mich eigentlich? Bekam ich jetzt auch noch Mitleid mit Peter?
Seine Geschichte hörte sich plausibel an. Sie ließ ihn menschlicher erscheinen. Und sie passte zu seiner ganzen Haltung. Er wirkte durcheinander, beschämt, nervös.
»Michel hat also nichts damit zu tun?«
»Womit?«
»Mit diesem … Schweigegeld. Ich dachte, Michel und du, ihr hättet …«
»Tut mir leid, dass ich das so rübergebracht habe. Nein, er weiß von nichts.«
»Wo ist er jetzt?«
»Ich hab ihn von eurer Baustelle abgezogen. Er ist jetzt in der Nähe von Arnéguy, im Baskenland. An der
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