Der Geliebte
flüsterte ich. Ich hätte die Worte auch herausgeschrien, wenn er es verlangt hätte.
Während er eindrang und anfing, in mich zu stoßen, schossen Blitze durch mich hindurch, das Blut strömte mir heiß wie Lava durch die Adern. Ich schloss die Augen, öffnete sie aber sogleich wieder, um die dunkle Glut in den seinen zu sehen.
»Ich habe dich so vermisst«, stöhnte er, vergrub sein Gesicht in meinem Haar und steigerte das Tempo. Geschmeidig fügte ich mich in den Rhythmus, schlang die Arme um ihn und zog ihm mit den Nägeln dicke Striemen über den Rücken.
Ich hatte früher nie geglaubt, dass man gleichzeitig zum Orgasmus kommen kann. Für eine Fabel hatte ich es gehalten, für eine Erfindung aus Filmen und Büchern, und doch erfuhr ich es gerade wieder am eigenen Leib, und nicht zum ersten Mal, mit Michel. Die Entladung überwältigte uns: ein Donnern in unseren Körpern, das durch die sich an- und entspannenden Muskeln noch in die feinsten Nervenenden vordrang, bis wir uns überhitzt, erschöpft und schweißüberströmt aneinanderklammerten und in einer stillen Benommenheit versanken.
Ich schmiegte mein Gesicht an seinen Hals, wo dieser mit einem Grübchen in die Schulter überging und ich mit den Lippen an der Halsschlagader seinen Puls spüren konnte. Sein Herz schlug langsam und kräftig, auch an der eigenen Brust spürte ich es. Ich fing langsam wieder an, die Hände zu bewegen, mit den Fingern seinen Körper abzutasten, seine Muskeln, seine Haut, die genau wie meine allmählich abkühlte, und ich wünschte, dieser Augenblick würde ewig währen.
Wenn jetzt die Welt untergegangen wäre, hätte ich mich damit abfinden können. Michel und ich am See, mit dem Mond als Zeuge. Das war alles, was noch zählte.
Ich zitterte ein wenig. Es war richtig kalt geworden, das Gras war taufeucht, und ein kühler Wind war zu spüren. Über der Wasseroberfläche bildeten sich Nebelschleier, die zu uns herüberzogen und uns einhüllten.
»Ist dir kalt?«, flüsterte er.
»Ja.«
»Soll ich dich wieder aufwärmen?«
In langsamer Steigerung fing er erneut an sich zu bewegen, ich spürte, wie er in mir hart und groß wurde, und es trieb mich fast zum Wahnsinn. Mein Gott, er machte einfach weiter, nach einer Pause von höchstens ein paar Minuten! Auf die Hände gestützt, beugte er sich über mich und leckte mir über die Lippen, während er das Tempo immer mehr anzog und meine Beine unbeherrscht zu zittern anfingen. Himmel, wie großartig das war! Ich konnte nur noch stöhnen, mich hingeben. Ich hob die Hände zu seiner Brust.
Sein Grinsen im Halbdunkel. »Und, wird dir schon wärmer?«
»Ja«, flüsterte ich, »mach weiter, bitte mach weiter!«
Es klang verzweifelt, und so fühlte ich mich auch. Ich wollte diese kostbaren Augenblicke so weit wie möglich in die Länge ziehen, wollte ihn nicht gehen lassen, es war wohl das letzte Mal, und allein schon der Gedanke jagte mir Angst ein. Als wäre nach Michel alles zu Ende, als bestünde mein Leben fortan nur noch aus Alltagsroutine und dumpfer, unausgefüllter Leere.
Mein Leben nach Michel.
Ich wollte mehr, viel mehr, ich wollte ihn schmecken, ihn verwöhnen, wollte ihn stöhnen hören und die Augen schließen sehen.
Ohne die Hände von seiner Brust zu nehmen, zog ich mich zurück und setzte mich vor ihm auf die Knie. Mit den Lippen strich ich langsam über seine Brust zum Bauch hinunter. Er zog die Bauchdecke ein und hielt die Luft an, woraufhin ich mit leicht geöffnetem Mund noch ein Stück tiefer ging, bis ich mich selbst auf der Zunge schmeckte.
Er kam nun ebenfalls auf die Knie, strich mir durchs Haar und streichelte mit der flachen Hand meine Wange und meinen Mund, sodass er von außen mitfühlen konnte, was ich mit der Zunge machte. Immer wieder spürte ich seine Hand erst im Haar, dann am Kiefer und im Gesicht, und er flüsterte Worte, die ich nicht verstand, aber deren Bedeutung ich sehr wohl begriff. Ich machte weiter, sah zu ihm auf, ging in ihm auf, setzte Hände und Zunge ein, krümmte den Rücken und suchte seinen Blick, aber er war wie weggetreten, mit offenem Mund und geschlossenen Augen, wortlos, eingehüllt von der Nacht.
» Je jouie «, flüsterte er. Es war eine höfliche Warnung.
Ich fuhr fort, es machte mir nichts aus.
Ich trank von ihm.
Aus dem Augenwinkel sah ich ein Lichtbündel über das Tal schwenken und dann erlöschen. Gedämpfter Autolärm drang an mein Ohr, dann erstarb das Motorgeräusch. Michel hatte es ebenfalls bemerkt.
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