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Der Geliebte

Titel: Der Geliebte Kostenlos Bücher Online Lesen
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Er hob den Kopf und spähte den Abhang hinauf, den Mund halb geöffnet und genau wie ich noch etwas benommen.
    »Eric«, flüsterte ich, und mein Herz setzte für einen Schlag aus. »Eric ist nach Hause gekommen. Oh mein Gott … wie spät ist es?«
    Michel drückte auf einen kleinen Knopf an seiner Armbanduhr. »Halb zwölf.«
    Ich sprang auf und raffte meine Kleider zusammen. Zunächst fand ich meinen Stringtanga nicht wieder, bis Michel ihn mir hinhielt. Ich zog Rock und Bluse an und fuhr mir mit der Hand durchs Haar.
    Wie gelähmt starrte ich auf die Hügelspitze. Oben hörte ich Bleu jaulen. Wenn Eric mich drinnen nicht antraf, würde er mich suchen gehen. Auch hier am See.
    Wie sollte ich erklären, warum ich mich um halb zwölf Uhr abends allein draußen in der Dunkelheit herumtrieb?
    Ich musste nach Hause. Schnell.
    Michel trat hinter mich und schmiegte seine Wange an meine Schläfe. Küsste mich.
    »Viel Glück«, flüsterte er. »Mit allem.«
    Das bezog sich nicht auf meine bevorstehende Konfrontation mit Eric.
    Es war ein Abschiedsgruß.
    »Dir auch«, flüsterte ich zurück. Dann lief ich den Hügel hinauf.
     

48
     
    Mit schnellen Schritten kam Eric mir entgegen. Noch schneller war Bleu. Ich hielt ihn am Halsband fest, während ich weiter auf Eric zuging, weil ich Angst hatte, er könnte Michels Anwesenheit verraten.
    Eigentlich wollte ich jetzt nur noch ins Bett. Schlafen oder es zumindest versuchen.
    Mich ausheulen und dann wieder von vorne anfangen.
    Ich war kaputt, geistig wie körperlich völlig erschöpft. Ich konnte mich nicht erinnern, mich jemals so leer gefühlt zu haben. So ausgehöhlt.
    Unruhig und mit großen Augen kam Eric auf mich zugeeilt. Sein Hemdkragen stand offen, und an seinen ungelenken Bewegungen sah ich, dass er zu viel getrunken hatte.
    Erst trinken und dann Autofahren, die lebensgefährlichen Serpentinen zwischen Felswänden und Abgründen entlang - großartig. Peter, der selber soff, als könnte jeden Augenblick die Welt untergehen, steckte mit diesem Laster anscheinend alle anderen an.
    Ich biss die Zähne zusammen. Bitte keine Konfrontation.
    »Mein Gott, Simone, was machst du denn hier draußen? Die Haustür stand offen, und als ich gesehen habe, dass du nicht im Bett bist, habe ich das ganze Haus durchsucht.«
    Unbeirrt setzte ich meinen Weg fort. Ich wollte Bleu und Eric so weit wie möglich vom See weglocken.
    Als ich an ihm vorbei Richtung Hof ging, machte Eric ein erstauntes Gesicht. Rasch hatte er mich eingeholt und ging neben mir her. »Simone, was soll denn das?«
    »Du hast zu viel getrunken«, sagte ich.
    »Was machst du in Gottes Namen hier draußen?«
    Ich antwortete nicht. Erst als wir in der Diele standen und ich die Tür hinter Eric und Bleu geschlossen hatte, drehte ich mich zu ihm um.
    Schweigend stand er da und sah mich an. Es war offensichtlich, dass er die Situation nicht zu deuten wusste.
    »Ich gehe ins Bett«, sagte ich. »Ich brauche ein bisschen Zeit für mich allein.«
    Damit ließ ich ihn stehen, ging den Flur entlang und die Wendeltreppe hinauf. Oben öffnete ich die Tür zu Bastians Zimmer. Er schlief tief und fest, sein Atem ging ruhig. Ich zog die Gardine ein Stück zur Seite und spähte zur Zufahrt hinunter.
    Nirgends eine Spur von Michel.
     
    Um fünf Uhr morgens wurde ich wach. Ich bekam kaum die Augen auf. Sie waren verquollen, obwohl ich mich gar nicht erinnern konnte, am gestrigen Abend noch geweint zu haben. Obwohl, doch: unten am See. Und nicht nur kurz. Ich verspürte einen Stich im Bauch, einen Krampf, dann war es wieder vorbei.
    Erics Seite des Bettes war leer. Er war nie ein früher Vogel gewesen. Ich musste ihn morgens immer förmlich aus dem Bett ziehen.
    Diesmal saß er in T-Shirt und Unterhose am Küchentisch. Sein Haar war zerzaust. Vor ihm lagen Kopien von Bauskizzen. Neben ihm ein Block mit Zahlenkolonnen. Ein Taschenrechner. Eine Tasse Kaffee.
    Als er mich kommen hörte, sah er auf. »Geht es dir wieder besser?«
    Ohne zu antworten ging ich zum Kühlschrank und nahm den Orangensaft heraus. Spülte einen Kaffeebecher aus, der noch in der Spüle stand. Schenkte mir Saft ein und trank in kräftigen Zügen den ganzen Becher leer.
    Dann sah ich Eric an und richtete den Blick demonstrativ auf die Entwürfe. »Nein, es geht mir nicht besser.«
    Unkonzentriert deutete Eric auf die Papiere. »Ich kann mir das nicht entgehen lassen, Simone«, sagte er. »Es ist wirklich ein großartiger Plan. Einmal investieren, die nächsten zehn

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