Der Geliebte
Jahre ein festes Einkommen und dann mit fettem Gewinn ein für alle Mal in Rente gehen. Ich habe es zigmal nachgerechnet. Es kommt alles hin. Selbst wenn ich nur von der Hälfte der Mieteinnahmen ausgehe und den Anstieg der Immobilienpreise nicht mit einrechne, haben wir ausgesorgt.«
Ich stand da und rührte mich nicht vom Fleck. Das konnte ich jetzt nicht auch noch verkraften. Es wurde zu viel. Alles stand kurz vor dem Einsturz. Ich hatte nicht mehr die Kraft zu widersprechen, einen Streit anzufangen oder irgendwelche Wogen zu glätten. Ich war völlig ausgepumpt. Leer.
»Eric«, sagte ich leise, »der Tag, an dem du unser Geld in Peters Projekt steckst, wird der Tag sein, an dem ich fortgehe.«
Ich meinte, was ich sagte, es war keine leere Drohung. Vielleicht sagte ich es nur deshalb so ruhig, so entschlossen. Jedes einzelne Wort meinte ich genau so, wie ich es sagte.
Empört sah Eric auf. »Was?«
Ich drehte mich auf dem Absatz um, ging ins Schlafzimmer, ließ mich aufs Bett fallen und fing stumm an zu weinen.
49
Es war Freitag. Der letzte Arbeitstag. Der Hof sah prächtig aus. Die beiden Stockwerke waren jetzt mit Außentreppen aus Kalkstein verbunden. Wir hatten einen Springbrunnen bekommen, und in mächtigen, blau glasierten Töpfen hatte Eric ein paar Bäumchen aufgestellt. Auch mit dem Planieren des Bodens waren die Jungs fast fertig. Der beigefarbene Kies strahlte in der grellen Sonne so hell, dass es fast schon in den Augen wehtat.
Ich lehnte am Fensterrahmen von Bastians Zimmer und sah zu, wie Michel unten Kabel zusammenräumte und große Kübel mit Schutt und Abfall durch den Torbogen schleppte, um sie draußen, außerhalb des Hofes, abzustellen. Ich verfolgte jede seiner Bewegungen und prägte mir alles ein, jeden einzelnen Gesichtsausdruck. Wie er lächelte, wenn jemand einen Scherz machte. Wie er mit der einen Schulter zuckte, wenn er nicht weiterwusste, verunsichert war.
Dem Strudel überwältigender Gefühle im Zusammenhang mit unserer Auswanderung, mit Peter, Michel und der Sache mit dem Geld zu widerstehen, war mir nicht gelungen. Ich hatte mich so davon mitreißen lassen, dass ich mittlerweile völlig erschöpft war.
Zumindest von einer meiner Sorgen hatte Eric mich erlöst. Gestern Abend war er zu Peter gefahren und gegen zehn wieder nach Hause gekommen. Bei seiner Rückkehr hatte ich ihn nicht einmal begrüßt. In der letzten Zeit war ich ihm so weit wie möglich aus dem Weg gegangen.
Er war neben mir stehen geblieben und hatte unsicher an der Stuhllehne herumgezupft. »Ich werde wohl nie begreifen, was in dich gefahren ist«, hatte er gesagt. »Aber du und die Kinder, ihr bedeutet mir mehr als alles andere. Ich habe Peter gesagt, dass ich nicht mitmache. Bei diesem Projekt nicht und auch bei keinem anderen.«
Ich war aufgestanden und hatte ihn umarmt. Minutenlang waren wir so stehen geblieben.
Wir konnten unser neues Leben beginnen. Peter war bereits gestern zum letzten Mal hier gewesen, und heute hatten auch die Jungs ihren letzten Arbeitstag. Morgen fingen unsere Ferien an. Eric hatte angekündigt, in der nächsten Zeit nur noch Bücher zu lesen und einen kleinen Gemüsegarten anzulegen. Eine Ruhephase, die ein paar Wochen, vielleicht aber auch ein paar Monate dauern sollte - so lange, bis keine Spur von Staub und Mörtel mehr in seinen Poren saß.
Auch meine Wunden mussten heilen, aber das waren keine äußerlichen. Dieses Haus hatte unter anderem Michel für uns gebaut. Er hatte die Steine und Werkzeuge selbst in Händen gehalten. Alles hier erinnerte mich an ihn. Aber vielleicht war das auch gut so. Ich wollte ihn nicht einfach vergessen, sondern ihm allmählich einen festen Platz in meiner Erinnerung zuweisen.
Ich ging die Wendeltreppe hinunter ins Wohnzimmer. Dessen Geräumigkeit und die Atmosphäre beeindruckten mich täglich neu. Nie zuvor hatten wir so schön gewohnt. Noch vor ein paar Jahren hatte ich geglaubt, ein Haus wie dieses läge außerhalb unserer Möglichkeiten. Jetzt war ich stolz, dass ich hier wohnen durfte, dass ich demnächst Gäste hierher einladen konnte.
In Kürze würden Erica und Gerard uns besuchen kommen. Eine ganze Woche wollten sie bleiben, ich freute mich schon darauf. Ich würde die beiden mit leckerem Essen und gutem Wein verwöhnen, damit sie auftanken und gestärkt wieder an die Arbeit gehen konnten. Wenn es weiter so warm blieb, konnten wir bis tief in die Nacht im Hof sitzen, draußen essen und trinken. Was mich daran
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