Der Geliebte
wäre es für ihn schwieriger gewesen, sich mit mir verbunden zu fühlen, und gerade darauf kam es in einer Ehe schließlich an.
Also hatte ich es dabei belassen.
Aber jetzt hätte ich nur zu gern ein intensives Gespräch mit ihm geführt und ihm alles offen dargelegt, wenn er mich dafür nur kurz in den Arm genommen hätte. Ein beruhigendes Wort. Einen Kuss. Oder mehrere. Zuwendung. Liebe.
Ich ging ums Haus herum und quer über den Hof zu den Stufen vor der Tür. Innen hatte sich das Haus schon sehr verändert. Nicht nur lag überall irgendetwas herum (Werkzeug, plattgetretene Bierdosen, leere Wasserflaschen, lose Steinbrocken), sondern es roch auch anders als bei unserer Ankunft. Frischer. Nach gesägtem Holz.
Ich fand Eric im linken Flügel. Er stand auf einer Leiter und brachte mit einem dicken Bleistift vertikale Striche an der Wand an.
»Eric?«
»Hmm?«
»Was machst du da?«
»Ich lege fest, wo die Balken für die Decken hinsollen, dann können Arnaud und Pierre-Antoine morgen früh gleich loslegen.«
»Willst du nicht allmählich Schluss machen? Es ist schon nach neun.«
Eric drehte sich nicht einmal zu mir um. Er kam von der Leiter herunter, verschob sie um ein paar Meter und stieg wieder hinauf. Dann legte er ein Maßband an, um den Abstand zu messen, und markierte die entsprechende Stelle an der Wand.
»Ich will das hier fertig bekommen«, sagte er knapp.
»Dauert es noch lange?«
»Eine Viertelstunde vielleicht. Aber ich muss gleich auch noch kurz zum Baumarkt.«
Der Baumarkt lag am Stadtrand, zwanzig Fahrminuten entfernt. Ich holte dort regelmäßig irgendwelches Zeug, und immer war es so proppenvoll, als wäre dort alles umsonst. Es war der billigste Baumarkt weit und breit, noch dazu mit langen Öffnungszeiten: von sieben Uhr morgens bis zehn Uhr abends. Täglich außer sonntags.
»Jetzt noch? Willst du um neun noch in die Stadt?«
Verstört blickte er zu mir herab. »Simone, was willst du? In diesem Haus wohnen oder nächstes Jahr immer noch im Wohnwagen hocken? Ich muss den Jungs was zu tun geben, sonst stehen sie morgen früh herum und bohren in der Nase, weil kein Material da ist.«
»Kannst du nicht auch mal einen Abend bei mir sein?«
»Ich bin doch bei dir.«
»Ich meine, zusammen sein. Wir könnten eine Flasche Wein aufmachen.«
»Ja, mach das. Ich bin gegen halb elf wieder da, dann trinken wir zusammen den Rest. Okay?«
»Es ist schon dunkel«, wandte ich ein.
»Ich muss das jetzt wirklich fertig machen, Simone. Im Moment geht die Arbeit eben vor.«
Nach Sonnenuntergang kühlte es draußen rapide ab. Und es wurde feucht, sodass sich alles glitschig und klamm anfühlte. Im Dunkeln war ich ohnehin keine große Heldin. Mit ein paar mickrigen Teelichtern auf dem Campingtisch inmitten alles verschlingender Finsternis vor dem Wohnwagen zu sitzen war für mich keine besonders verlockende Aussicht. Wenn die Sonne untergegangen war, wollte ich lieber drinnen sein, im Wohnwagen. Und da durfte wiederum das Licht nicht an sein, damit die Kinder nicht aufwachten.
»Ich will nur kurz mit dir reden.« Ich nahm einen neuen Anlauf. »Bastian hat vorhin geweint. Er vermisst Niels.«
»Das war zu erwarten.« Eric versetzte die Leiter erneut. »Aber das legt sich schon, wenn er hier erst Freunde findet.«
»Das ist es ja gerade, er versteht ja niemanden, und die Kinder in der Schule verstehen ihn nicht. Wie soll er da Freunde finden?«
Eric brachte wieder einen Strich an. Die Spitze des Bleistifts brach, und er zog ein Messer aus dem Gürtel, um sie wieder zu schärfen. Er wurde den Arbeitern immer ähnlicher. Eine wahre Metamorphose, denn bevor wir hier gelandet waren, hatte er Werkzeug nur selten angefasst. Jetzt hatte er raue Hände voller kleiner Schnittwunden.
»Das kommt schon, wenn er erst Französisch spricht«, murmelte er. »Noch ein paar Monate, dann sieht alles ganz anders aus, auch für ihn. Wir haben es im Moment alle schwer hier, du, ich und die Kinder auch. Vielleicht solltest du die Französisch-Aufgaben immer noch mal mit ihm durchgehen, dann lernt er schneller.«
Das Ende der Wand rückte näher. Noch zwei Striche.
»Ich bin heute auf der préfecture gewesen«, sagte ich zu Erics Hinterkopf. »Sie waren nicht gerade hilfsbereit. Ich hatte die Papiere aus den Niederlanden mit, aber damit konnten sie nichts anfangen. Ich soll mir Unterlagen von dem französischen Volvo-Importeur schicken lassen.«
»Dann musst du das wohl machen. Je schneller wir ein französisches
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