Der Geliebte
einem fremden Land, während gleichzeitig meine Schwiegermutter, die ich so gern hatte, tausend Kilometer entfernt in einem Krankenhausbett lag und darum kämpfte, wieder gesund zu werden.
Die Kinder waren betroffen. Dass Oma krank sein sollte, war ihnen unheimlich.
»Stirbt sie?«, hatte Bastian gefragt.
»Nein«, hatte ich geantwortet, »das nicht, aber sie ist sehr krank. Sie kann erst mal nicht mehr laufen und nicht so gut sprechen, aber das kann auch wieder besser werden.«
In letzter Minute hatten die Kinder Mittwochabend noch Bilder für sie gemalt. Eric hatte die Kunstwerke im Koffer mitgenommen, und jetzt hingen sie über dem Krankenhausbett an der Wand.
Derweil hatte Peter es auf sich genommen, sich ein bisschen um mich zu kümmern, nachdem nun kein Mann mehr im Haus war. Er fragte mich regelmäßig, ob ich Hilfe brauchte, machte mir Komplimente, bezog mich beim Bau mit ein. Er wurde mir immer sympathischer.
Ich goss die Kartoffeln ab und ließ sie abkühlen. Gab etwas Olivenöl mit Zitrone in die Pfanne und tat klein geschnittene Zwiebeln und Knoblauch dazu. Verteilte dann die Hühnerbrust-Filets in der Pfanne und rührte so lange um, bis das Fleisch überall gleichmäßig hell geworden war. Presste vorsichtig ein paar in Wasser erwärmte Rosinen und Aprikosen aus und gab sie hinzu. Rührte das Ganze noch einmal um, streute ein bisschen Meersalz darüber und gab Orangensaft dazu. Es zischte. Ich stellte die Flamme etwas kleiner und fing an, die dampfenden Kartoffeln in Scheiben zu schneiden.
Heute Abend, vielleicht auch schon etwas früher, würden Gerard und Erica kommen. Das war eine beruhigende Aussicht. Ich war todmüde. Ein bisschen Unterstützung war mehr als willkommen. Zwar fragte ich mich auch, wie das Ganze in praktischer Hinsicht laufen sollte, denn soweit ich mich an Ericas begeisterte Berichte von ihrem Wohnwagen auf dem festen Stellplatz in St. Hilaire erinnerte, hatte dieser nur zwei Schlafzimmer, eins mit Doppelbett und ein weiteres mit Einzelbett. Ich konnte natürlich Isabelle und Bastian das Einzelbett überlassen und mich selbst auf ein Sofa legen. Oder auf eine Luftmatratze. Fragte sich bloß, was ich mit Bleu machen sollte. Auf vielen Campingplätzen waren Hunde schließlich gar nicht erlaubt.
In den letzten Nächten hatte ich Schwierigkeiten gehabt einzuschlafen. Ich hatte dagelegen und auf die Geräusche der Nacht gehorcht, aber Bleus Anwesenheit hatte mich beruhigt. Wenn irgendein Geräusch, das mir verdächtig vorkam, ihn anscheinend nicht aufschreckte, dann gehörte es wohl zur Umgebung. Tagsüber streifte Bleu immer durchs Gelände. Mehrmals war ich auf die Suche nach ihm gegangen, hatte mir Sorgen gemacht, ob er womöglich davongelaufen war, aber er war immer wieder aufgetaucht, schwanzwedelnd, mit hängender Zunge und blitzenden Augen. Zur Mittagszeit war er regelmäßig am Esstisch zu finden, weil er dort immer etwas zugesteckt bekam. Nachmittags, wenn ich die Kinder abholte, wusste ich schon, dass er am Ende der Zufahrt auf uns warten würde. Bleu war einfach genau richtig bei uns.
»Hunde sind auf dem Campingplatz verboten«, sagte Erica. »Verflixt, so ein Mist …«
Wir saßen draußen an dem großen Tisch und tranken Kaffee.
Gerard streichelte Bleu über den Kopf. »Kannst du den Hund nicht einfach hierlassen?«
»Nein«, sagte ich. »Das Haus hat noch keine Türen, und der Wohnwagen ist viel zu klein.«
»So was Dummes«, sagte Erica und setzte ihre Tasse ab. »Seid wann habt ihr eigentlich einen Hund?«
»Noch nicht so lange«, sagte ich. Unwillkürlich musste ich an den viel zu großen Morgenmantel von Jeanette in Libourne zurückdenken. Allein schon bei dem Gedanken errötete ich, aber es achtete niemand darauf.
»Und ihr habt hier keine extra Schlafgelegenheiten in eurem Wohnwagen? Sodass wir vielleicht hier schlafen könnten?«
»Wir haben ein französisches Bett und ein Stockbett«, sagte ich. »Vielleicht kann ich ja oben liegen, ihr legt euch in unser Bett, und Isabelle und Bastian teilen sich das untere.«
Dieser Vorschlag war Bastian, der unter dem Tisch mit einem Auto spielte, nicht entgangen. »Ich gehe nicht mit Isabelle in ein Bett«, protestierte er.
Vom Haus schallte ohrenbetäubender Lärm herüber. Das Radio war voll aufgedreht und schepperte vor sich hin.
Ericas Blick wanderte zum Haus. »Geht das hier jeden Tag so zu?«
Ich nickte. »Von morgens früh bis abends um acht.«
»Auch am Wochenende?«
»Nein, von Montag bis
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