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Der Geliebte

Titel: Der Geliebte Kostenlos Bücher Online Lesen
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morgens, und ein Joint machte die Runde. Wir waren noch zu neunt, saßen in Peters Fernsehzimmer und ließen das Fest ausklingen. Im Fernsehen liefen Zeichentrickfilme, aber ohne Ton. Außer Eric, mir, Peter und Claudia waren noch Peters Buchhalter Julien und dessen Frau Annie dabei, die ebenso wie Peter und Claudia aus Belgien kamen und ein paar Dörfer weiter wohnten. Außerdem leistete uns ein Niederländer von Anfang vierzig Gesellschaft, der anscheinend ein Geschäftsfreund von Peter war und Frank hieß: dunkelhaarig, ein etwas trauriges Gesicht, Schnurrbart und Lockenkopf. Bruno hielt auch noch durch. Und Michel.
    »Warum denn gerade Kokain?«, fragte Peter noch einmal.
    »Nur so«, sagte ich.
    Eric gab ein Murren von sich. In seiner Gegenwart hatte ich immer das Gefühl, ich müsste mich angepasster verhalten und nuancierter ausdrücken. »Ich habe es noch nie probiert, immer nur darüber gelesen. Es kommt mir fast vor, als hätten alle schon mal Kokain probiert, nur ich nicht. Als würde mir da was fehlen … in meiner Persönlichkeitsentwicklung.«
    Bastian und Isabelle lagen im Gästehaus und schliefen. Inzwischen war es schon wieder eine ganze Weile her, dass Claudia mit mir zum Fernsehzimmer gegangen war, um mich darauf hinzuweisen, dass Bastian und Isabelle auf einem der Sofas eingeschlafen waren. Sie hatte mir die Zimmer in dem anderen Gebäude gezeigt, einem extra Gästehaus, woraufhin wir die Kinder hinübertrugen und ins Bett brachten. Sie waren schon mitten im Traumland und murmelten nur kurz etwas vor sich hin, schliefen dann aber tief und fest weiter. Im Zimmer nebenan gab es ein Doppelbett und ein kleines Badezimmer.
    »Hier könnt ihr dann schlafen«, hatte Claudia zu mir gesagt. »Ich habe immer ein ganz schlechtes Gefühl dabei, wenn Leute, die schon was getrunken haben, noch Auto fahren. Und erst recht bei den vielen Kurven hier, am Wochenende gibt es immer wieder Verkehrstote.«
    »Bei Kokain hast du nicht viel verpasst«, hörte ich Peter sagen.
    Das Zimmer war inzwischen so verraucht, dass man die Luft in Scheiben hätte schneiden können. Ich hatte ein paar Züge genommen, um nicht unhöflich zu erscheinen, aber wenig gespürt.
    »Für etwa zehn Minuten hast du das Gefühl, du könntest einen Billardtisch hochheben und hättest plötzlich die großartigsten Ideen der Welt«, fuhr er fort, »aber das war’s dann auch.«
    Es entstand eine Pause.
    Ich trank einen Schluck Wasser. Vielleicht wurde es allmählich Zeit, schlafen zu gehen. Eric nahm schon eine ganze Weile nicht mehr aktiv an dem Gespräch teil. Bei ihm hatte das Marihuana offenbar durchaus Wirkung gezeitigt und ihn schläfrig gemacht. Auch Claudia war eingeschlafen. Sie hatte sich an Peter angelehnt und einen Arm über seine Brust gelegt. Frank hing auf dem Sofa, hatte den Kopf zurückgelehnt und machte auch keinen besonders wachen Eindruck mehr. Bruno flüsterte ab und zu etwas Unverständliches und kicherte, ein glückseliges Grinsen im Gesicht. Michel, der ein Bierglas zwischen den Fingern hin und her rollte, schien noch der wachste von allen zu sein. Irgendwelche Rauschmittel hatte er, soweit ich es mitbekommen hatte, nicht angerührt. Er saß am Couchtisch auf der Vorderkante eines Hockers und versuchte, mein Gespräch mit Peter mitzuverfolgen. Inwieweit es ihm gelang, war schwer einzuschätzen.
    Draußen wurde es allmählich schon wieder hell. Anders als sonst nach einer durchgemachten Nacht, fühlte ich mich nicht mal besonders müde oder benommen. Wahrscheinlich war ich einfach über meinen toten Punkt hinweg.
    »Ich zeige euch gleich mal, wo ihr schlafen könnt«, sagte Peter.
    Eric wurde plötzlich wach, richtete sich auf und schenkte sich noch ein Glas ein. Seine Bewegungsabläufe waren nicht gut koordiniert, er verschüttete etwas Wein auf dem Couchtisch. »Ein Glas noch«, murmelte er, »dann gehen wir schlafen.«
    Plötzlich merkte ich, dass mir unwohl wurde. »Ich gehe kurz zur Toilette.«
    Als ich den langen Flur in Richtung Toilette entlangging, am Wohnzimmer und den rau verputzten, olivgrün gestrichenen Wänden vorbei, ließ die Übelkeit schon ein bisschen nach. Hier hing auch weniger Rauch als im Fernsehzimmer. Schon seit zwei Uhr nachts hatte ich keinen Tropfen Wein mehr angerührt, nur noch Wasser, aber ich hatte den Alkohol eindeutig noch im Blut. Die Aussicht, gleich in das Fernsehzimmer zurückzugehen, wo dieser süßlich-penetrante Qualm in der Luft hing, der unangenehm in der Nase und den Augen

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