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Der Geliebte

Titel: Der Geliebte Kostenlos Bücher Online Lesen
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holen.
    »Entschuldige, entschuldige bitte«, stammelte ich.
    »Ist nicht so schlimm«, sagte Betty. Vielleicht bildete ich mir den ärgerlichen Unterton in ihrer Stimme nur ein.
    Gemeinsam stellten wir die Gläser und Kerzenleuchter auf die andere Tischhälfte. Sie schlug die Decke zurück und fing mit geschickten Händen an, die Tischfläche abzutupfen. Ich wollte ihr helfen und war schon auf dem Weg zum Spülschrank, als sie mich zurückrief.
    »Nein, setz dich doch, setz dich ruhig wieder! Ist ja schon fast weg.« Sie verschwand kurz und kam dann mit Eimer und Wischtuch zurück.
    Nein, ich hatte es mir nicht eingebildet. Sie ärgerte sich tatsächlich. Ich hatte wirklich zu viel getrunken, und es war mir leider allzu deutlich anzumerken.
    Die Kinder kamen in die Küche und begutachteten den Schaden. »Ist was passiert?«
    »Nein, Schatz, Mama hat nur ein Weinglas umgestoßen.«
    »Hat sie zu viel getrunken?«
    »Ein bisschen, glaube ich«, sagte Eric.
    Bastian schüttelte den Kopf. »Wenn ich groß bin, trinke ich keinen Wein, nie. Da fängt man an, sich ganz komisch zu benehmen.«
    »Und es schmeckt eklig«, sagte Isabelle.
    » Oui, beurk «, stimmte ihr neuer Freund Max ihr zu, in akzentfreiem Französisch, und verzog das Gesicht.
    Eric sah auf die Uhr. »Wir müssen sowieso langsam los. Es ist schon fast elf. Die Kinder müssen morgen zur Schule.«
    »Ich will noch nicht nach Hause«, rief Isabelle. Mit lautem Geschrei stürzten sie alle hintereinander wieder ins Wohnzimmer. Wahrscheinlich würden wir sie gleich suchen müssen. Unter dem Tisch, hinter dem Sofa, im Badezimmer. Wenn Bastian und Isabelle ihren Spaß hatten, war es immer ein Kraftakt, sie zum Mitkommen zu bewegen.
    Eric erhob sich. »Lass uns mal gehen. Trommelst du unsere Nachkommenschaft zusammen?«
    Ich fand Isabelle und Bastian auf der Toilette, wo sie sich kreischend wegzuducken versuchten.
    »Wenn ihr jetzt nicht sofort mitkommt«, sagte ich so streng wie möglich, »waren wir das letzte Mal hier zu Besuch.«
    Die Drohung lief ins Leere.
    Eine knappe Stunde später waren wir unterwegs nach Hause. Der Abend hatte einige Fragen bei mir aufgeworfen. Was war damals vorgefallen? Warum hatte Theo Peter doppelgesichtig genannt? Was meinte Betty mit Reibereien? Aber vor allem hallte ständig das Wort »Vorstrafen« in meinem Kopf wider.
    Der Morgen ist angebrochen. Blasses, kühles Licht sickert durch das kleine Fenster in meine Zelle.
    Ich habe heute Nacht kaum ein Auge zugetan, aber die Panik hat sich gelegt. Ich habe diese dunklen Stunden ohne Licht und Zeitgefühl zum Nachdenken genutzt. Und ich weiß, was ich sagen werde, wenn sie mich holen kommen: gar nichts. Ich werde es durchhalten, es wird mir gelingen.
    Ich werde zuhören, aber nicht reagieren. Auf gar nichts.
    Drei Tage keinen Kontakt mit der Außenwelt, hat der Polizist gesagt. Heute ist der zweite. Noch ein einziger Tag. Morgen Abend oder spätestens am darauffolgenden Morgen kann ich mich mit einem Anwalt beraten. Ich muss mit jemandem sprechen, dem ich vertrauen kann, der mir geduldig zuhört, der kein Urteil über mich fällt, sondern mich hier unversehrt herausholt.
    Falls das überhaupt möglich ist.
    Schritte auf dem Flur reißen mich aus meinen Gedanken. Vor meiner Zellentür verstummen sie. Derselbe Polizist wie gestern tritt ein.
    Er sagt etwas, das ich nicht verstehe. Aus seiner ungeduldigen Armbewegung schließe ich, dass ich mitkommen soll.
     

25
     
    »Peter weiß es«, sagte ich.
    Es war Freitagabend, neun Uhr. Auf der Rückbank des in einer kleinen Gasse geparkten Volvos standen zwei volle Einkaufstaschen und warteten darauf, dass ich sie nach Hause brachte. Hier, in Michels Zimmer, peitschte der Novemberregen gegen das Fenster. Michel lag, an einen Stapel Kissen gelehnt, neben mir im Bett und rauchte eine Selbstgedrehte. Den Arm hatte er lässig um meine nackten Schultern gelegt. Mein Körper glühte, meine Haut prickelte noch, aber der Radiowecker auf dem schmalen Brett tickte unerbittlich weiter, dabei wollte ich noch so viel mit Michel besprechen.
    »Er macht mir Schwierigkeiten«, fuhr ich fort.
    »Nein, bestimmt nicht.«
    »Am Montag hat er eine Bemerkung über Französinnen gemacht, die so tun, als wären sie gute Mütter und treue Gattinnen, aber am laufenden Band fremdgehen.«
    Michel zuckte mit der Schulter. »Na und?«
    »Er … ich hatte das Gefühl, dass er das mit Absicht sagt. Eric war dabei. Und die anderen auch.«
    »Da bildest du dir nur was ein.« Er

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