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Der Geliebte

Titel: Der Geliebte Kostenlos Bücher Online Lesen
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Sie sich komisch fühlen, Ihnen schwindelig wird oder Sie noch einmal in Ohnmacht fallen, rufen Sie am besten sofort an.«
    Daraufhin fing er wieder an, irgendetwas in seinen Computer zu tippen. Der Drucker spuckte zwei A4-Blätter aus.
    Während er mit dem Kugelschreiber auf verschiedene Stellen des Ausdrucks deutete, ging er den Text mit uns durch. Rezepte für Medikamente gegen Bluthochdruck, etwas gegen Durchfall, eine Art Beruhigungsmittel und Pillen gegen Schwindelanfälle - wenn ich alles richtig verstanden hatte. Ich staunte nicht schlecht. Bekam ich das alles verschrieben, nur weil ich einmal in Ohnmacht gefallen war und leicht erhöhten Blutdruck hatte? In den Niederlanden musste ich meinen Hausarzt auf Knien anflehen, wenn ich bloß ein Fläschchen Ohrentropfen für Isabelle wollte. Und selbst dann bekam ich es nicht. Das hier war wirklich eine verkehrte Welt.
    Wir dankten dem Arzt für seine Mühe und fuhren zur Apotheke. Ich blieb im Auto sitzen, während Eric die Rezepte einlöste.
    Zehn Minuten später kam er mit einer kleinen Plastiktüte voller Medikamentenschachteln wieder. »Jetzt weiß ich, warum die Hausärzte hier médecins heißen«, witzelte er, als er den Wagen anließ. »Es sind die reinsten Medizinmänner. Ob die pro ausgestelltem Rezept bezahlt werden? Meine Güte, hiermit können wir ja einen ganzen Arzneischrank füllen.«
    Mit stumpfem Blick ging ich die Schachteln durch und faltete die Beipackzettel auseinander. Mehr um Haltung zu bewahren, als weil mich deren Inhalt tatsächlich interessiert hätte. Ich wusste jetzt schon, dass ich nichts davon nehmen würde.
    Gegen das, was mir fehlte, half keine Medizin.
    Sobald ich mich wieder etwas besser fühlte, würde ich mir ein Internetcafé suchen, nahm ich mir vor. In der Stadt gab es bestimmt welche.
    All die Pulver und Pillen hatten mich auf eine Idee gebracht.
     

35
     
    Das bloße Eintippen des Worts »vergiften« in die Suchmaschine im Internet lieferte zwanzigtausend Treffer. Während ich die Seiten durchging, wurde mir schwindelig. Das waren weit mehr Informationen, als ich innerhalb von einer Stunde verarbeiten konnte. Zumindest wurde mir rasch deutlich, dass Gifte in der heutigen Welt überall waren. Wenn Peter zufällig den Mund voller Amalgamfüllungen hatte, war es nur eine Frage der Zeit, bis er den Löffel abgab, niedergestreckt von einem der vielen geistigen und körperlichen Leiden, die Quecksilber verursachte. Vielleicht befand sich Botulinumtoxin in der Milch, die er trank, gab es Legionella-Bakterien in seinem Springbrunnen oder tat er so viel Aspartam in seinen Kaffee, dass er eine ordentliche Depression bekam und beschloss, seinem unnützen Leben ein Ende zu bereiten. Sogar ganz unschuldiges Wasser konnte, wenn man es literweise trank, zu Hyponatriämie und somit erst zu geistiger Verwirrung und dann zum Tod führen.
    Geschrei und Flüche rissen mich aus meiner Konzentration.
    Ich blickte auf. Wahrscheinlich war ich die älteste Kundin dieses Internetcafés, mit Sicherheit aber die einzige Frau. In dem nach Elektronik riechenden Raum, dessen schwarze Wände mit Postern gepflastert waren, saßen lauter Jungs, die wahrscheinlich noch die Schulbank drückten. Sie spielten gegeneinander und warfen sich dabei alle denkbaren Verwünschungen an den Kopf.
    Ich schlug die Beine übereinander und tippte das englische Wort »poison« ein. Hier waren die Buchstaben anders angeordnet als auf der mir vertrauten QWERTY-Tastatur, aber allmählich gewöhnte ich mich daran und machte immer weniger Fehler. Fast zehn Millionen Treffer. Die ersten paar Webseiten, zu denen ich mich durchklickte, stammten fast alle von irgendwelchen amerikanischen Verbänden, die das Vergiftungsrisiko für Kinder im Haushalt oder ihrem sonstigen Umfeld begrenzen wollten.
    Ich ging zu den niederländischsprachigen Webseiten zurück und landete schließlich bei einer Online-Enzyklopädie, die eine praktische Liste von allen möglichen verschiedenen Giften inklusive Erläuterungen zur Verfügung stellte.
    Ich setzte mich aufrecht hin. Fingerhut, Digitalis purpurea, enthielt Dioxin, und schon der einmalige Konsum von mehr als 0,25 Milligramm konnte zum Herzstillstand führen. Gift, das man einfach so im Garten pflücken konnte und das der Enzyklopädie zufolge auch auf Waldlichtungen zu finden war. Hundert Prozent natürlich.
    Atropin war ebenfalls ein sehr wirksames Gift. Es wurde aus den Beeren der Tollkirsche gewonnen und unter anderem in Tropfenform bei

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