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Der gemietete Mann: Roman (German Edition)

Der gemietete Mann: Roman (German Edition)

Titel: Der gemietete Mann: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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Jünglinge! Du bist voll witzig, Mann! Der ist kein »solcher Jüngling«! Der ist was ganz Besonderes! Das weißt du genau!
    – Lass mich ausreden. Da waren sie dir zu grünschnäbelig. Da konnten dir die Männer nicht alt genug sein. Mit zwanzig hast du die Vierzigjährigen favorisiert, mit dreißig die Sechzigjährigen.
    – Na und, ey! Oh, Mann, ey! Karla, ey! Du nervst voll!
    – Aber jetzt, wo du alles andere gehabt hast, jetzt ist ein Zwanzigjähriger angesagt, ja? Was FINDEST du denn an ihm reizvoll, hm? Doch wohl nicht seinen knackigen Körper, nein? Das wäre doch wohl gar zu billig!
    – Also erstens dürfen alle Männer, aber wirklich ALLE, die in den besten Jahren sind, sich eine jugendliche Geliebte zulegen, zum Beispiel die Politiker, die gehen hin, um ihr Image aufzubessern, sämtliche alten Knacker, und nehmen sich ein blutjunges Mädel …
    – Halt, WAS habe ich da gerade gehört? Image aufbessern?
    Du willst doch wohl keinen Zusammenhang herstellen zwischen deinem beschissenen Image bei »Wört-Flört« und der Beziehung zu einem blutjungen Lümmel, der gut und gerne einer deiner Kandidaten sein könnte?
    – Nein. Hat mit meinem beschissenen Image, wie du sagst, nicht das Geringste zu tun. Nicht das Geringste.
    – Und zweitens ?
    – Zweitens ist er als Mensch wertvoll, nicht als knackiger Jüngling, klar? Er hat Tiefe, er ist ein wunderbarer, zärtlicher und zuverlässiger Partner. Er ist reifer und erfahrener und dabei mehr vom Leben gezeichnet als so mancher kindische sechzigjährige Suffkopp!
    – Du vertraust deine Kinder einem Menschen an, der seinen eigenen Bruder erschossen hat!
    – So. Das reicht. Jetzt erst recht!
    Ich ging zwei weitere Schritte auf ihn zu.
    – Karla! Bleib stehen! Hüstele! Räuspere dich! Zwing ihn, sich umzudrehen. Nimm der Sache die Spannung! Sag, dass du nicht stören willst, dass du ihm nur gute Nacht sagen willst. Los! Kratz deinen letzten Funken Anstand zusammen. Du wirst doch wohl nicht … ? KARLA!
    Ich trat hinter ihn und umfasste ihn mit beiden Armen. Ohne etwas zu sagen. Mein Herz klopfte an seinem Rücken.
    O wie sanft die Quelle sich durch die Wiese windet, o wie schön, wenn Liebe sich zu der Liebe findet.
    – Karla! Unmöglich! Schämst du dich nicht?
    – Nein. Ich schäme mich nicht.
    Er drückte sich an mich. So standen wir lange, eng aneinandergeschmiegt.
    Er roch so, wie er immer roch. Ein bisschen nach frischem unverbrauchten Menschen, ein bisschen nach feuchtem Haar, ein bisschen nach seinem unsäglichen Tannennadelduschgel, ein bisschen nach Gras.
    Er hörte mit dem Kinderwagenschaukeln auf. Endlich. Er legte seine Hände auf meine Hände. Nun ging’s nicht mehr zurück. Oder?
    Weiche Gräser im Revier, schöne, stille Plätzchen.
    O wie linde ruht es hier sich mit einem Schätzchen.
    – Doch, Karla, es geht noch zurück. Du schüttelst ihm jetzt die Hände, sagst, dass du dich für sein Vertrauen bedankst und dass er auch dein volles Vertrauen genießt und sich dessen würdig erweist, blabla, irgendwas wird dir schon einfallen, los, du bist eine Dame, du nimmst jetzt den Kinderwagen und gehst rein! Lo-hos! Jetzt!
    Mir war nicht danach, eine Dame zu sein.
    Er drehte sich um. Ganz langsam. Wir sahen uns ins Gesicht. Vielleicht hatte er meine innere Diskussion mitgehört. Vielleicht hatte er auch selbst eine geführt.
    Und dann fühlte ich schon seine Lippen auf meinen Lippen. Ganz sanft, ganz unaufdringlich, ganz weich. Weiche Gräser im Revier …
    – Das ist unmöglich von dir, unmöglich! Der Junge ist dir anvertraut, die Mutter schreibt dir, du sollst ihn lieben, aber doch nicht so! Du sollst ihm Geborgenheit geben, ein Heim, eine Zufluchtsstelle, aber das, was du tust, ist völlig unangebrachter, egoistischer Missbrauch deiner Verantwortung, du bist ein durch und durch schlechter, schwacher und charakterloser Mensch.
    … Schöne, stille Plätzchen … Und während ich das noch in mir drin hörte, küssten wir uns richtig. Sein Mund war warm und feucht, und seine Zunge schmeckte nach südafrikanischer Zahnpasta.
    Oh, wie linde ruht es hier … Er küsste hinreißend. Mit Hingabe und mit Leidenschaft, wild und zärtlich zugleich. Ich strich ihm über das vom Duschen feuchte Haar, er strich mir sanft über meines, und es war wunderbar, wunder-wunderbar, so etwas hatte ich seit Jahren nicht mehr erlebt – oder waren es Jahrzehnte? –, und ich hatte nicht im Mindesten gedacht, dass ich so etwas in diesem Leben noch mal erleben

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