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Der gemietete Mann: Roman (German Edition)

Der gemietete Mann: Roman (German Edition)

Titel: Der gemietete Mann: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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würde.
    Oh, wie linde ruht es hier … sich mit einem Schätzchen. Ein richtig langer, feuchter, leidenschaftlicher Kuss? Der hatte schon lange nicht mehr stattgefunden. Und ich war darüber nicht im Mindesten betrübt gewesen, hätte es albern gefunden, so lüstern und feucht zu küssen. Jedenfalls den eigenen Mann. An dem knutscht man doch nicht rum. Völlig albern und überflüssig und peinlich und deplaziert.
    Aber jetzt? Das war etwas ganz, ganz anderes.
    »Mein Gott, Emil, das dürfen wir nicht.« Ich machte mich sanft von ihm los.
    »No, Mam«, sagte Emil.
    »Lass doch dieses ›Mam‹ jetzt sein!«
    »Yes, Mam.«
    Und dann taten wir es schon wieder! Und es war wunderbar. Was scherte es mich, dass es verboten war? Es würde keiner erfahren. Ich würde es in meinem Herzen bewahren und Emil auch, dessen war ich mir sicher.
    Nur dies eine Mal. Dieses eine, eine, erste, letzte Mal.
    »Ach, Emil«, entfuhr es mir, »ich habe dich wirklich von Herzen gern! Viel zu sehr … viel zu sehr!«
    »Und ich liebe dir!«, stieß Emil plötzlich mit rauher Stimme hervor. »Wenn ich zehn Jahre älter wäre und du zehn Jahre jünger, würde ich dir heiraten!«
    Gott, wie war das ehrlich. Es war so rührend, so entwaffnend ehrlich. Das mit den zweimal zehn Jahren, das war nicht zu ändern, das war nicht schön zu reden, das war nicht aus der Welt zu schaffen.
    So war es nun mal. Sie konnten zusammen nicht kommen. Das Wasser war viel zu tief. Aber es störte mich nicht!
    Es warf mich nicht in tiefe Verzweiflung, es brachte mich nicht zu selbstmitleidigen Tränen. Es war einfach so. Ich hatte meine Zeit gehabt. Und er hatte seine Zeit noch vor sich. Und trotzdem. Hier hatten wir ein Stückchen gemeinsame Zeit. Keine Ahnung, wie viel. Zwei Stunden? Zwei Tage? Zwei Wochen?
    Vielleicht sogar zwei Monate.
    Aber das stand in den Sternen.
    Und die waren heute Nacht nicht zu sehen.
    »Hallo, Schätzchen! Wie geht es dir? Bist du schon spindeldürr? Werde ich dich überhaupt noch wiedererkennen?«
    Es war Oda-Gesine, die mich an einem der nächsten Tage aus meinem verwunschenen Dornröschenschlaf aufschreckte. Ich hatte ganz vergessen, dass es sie gab. Überhaupt hatte ich seit langem nicht mehr an »Wört-Flört« gedacht.
    »Oh, hallo, Oda-Gesine! Mir geht es großartig. Danke der Nachfrage.«
    »Was machen die Kinder?«
    »Alles bestens. Sie toben und spielen, haben Freunde gefunden und genießen den Urlaub.«
    »Und der Boy?«
    »Welcher Boy? Ach – du meinst Emil? Danke, es geht ihm gut.« Es geht uns gut, Oda-Gesine. Wenn du wüsstest, wie gut es uns geht. Wir brauchen keinen Menschen. Wir haben uns.
    »Du, Karla, ich stör dich ja ungern bei deiner Abmagerungskur, aber hast du da unten bei dir in der Schweiz mal die Quoten abgefragt?«
    »Nein. Wirklich nicht. Entschuldige, aber ich habe hier ganz andere Dinge im Kopf.« So. Bums. Du hältst »Wört-Flört« für den Nabel der Welt, aber das ist es nicht. Nur für dich. Dein Problem.
    Oda-Gesine schien diese Spitze jedoch nicht bemerkt zu haben. »Die Quoten sind nach wie vor beschissen«, sagte sie in ihrer barschen Art, »und wir müssen noch kräftig daran arbeiten.«
    »Ja, Oda-Gesine.« Quoten. Was sind Quoten? Quoten sind Zoten. Überflüssig wie ein Kropf. Ich hatte das alles längst ausgeschieden, auf natürlichem Wege, mit viel Glaubersalz. Weg. Aus. Vorbei. Es gab so viel Wichtigeres …
    Oda-Gesine redete weiter, ohne Punkt und Komma. Ihre tiefe, fette Stimme holte mich ohne Gnade wieder ins wirkliche Leben zurück.
    »Pass auf, Karla, da wär ein ganz wichtiger Event bei uns in München … ich brauch dich nur für einen Tag, aber du musst kommen …«
    Ich verspürte augenblicklich das starke Bedürfnis, den Hörer aufzulegen. Einfach auflegen. Weg. Dies hier ist unsere Zeit. Unsere Welt. Unser Leben. Wir gehören gar nicht mehr dazu. Event! Wichtig! Nichts ist wichtig! Nur wir. Unsere Ruhe. Und dieser späte, reife, warme Sommer, der jetzt nicht plötzlich wegen irgendeines »wichtigen Events« zu Ende geht. Stell auf den Tisch die duftenden Reseden, die letzten roten Astern trag herbei …
    »Es geht um eine einmalige Fotosession, der Bönninghausen meint auch, das können wir uns auf keinen Fall entgehen lassen, das steigert auf jeden Fall dein Image, wir brauchen dringend noch mehr mega-junge Leute vor dem Schirm, besonders aus Niedersachsen und Bayern, da bist du bei den Vierzehn- bis Neunzehnjährigen immer noch unter 52,6 Prozent Bekanntheitsgrad, das geht

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