Der gemietete Mann: Roman (German Edition)
grobkörnige rote Masse. Ich fand es aufmerksam vom Krankenhauskoch, mich mit diesem speziellen Menü zu verwöhnen.
»Und? Hat dein Boy dich schon so gesehen?«, fragte Oda-Gesine plötzlich unvermittelt.
»Emil? Nein. Ich meine, er besucht mich jeden Tag mit Paulinchen, wenn du das meinst …?«
Ich hatte Emil freigestellt, mit Paulinchen nach Hause zu fliegen, zu Senta und den Anderen, aber Emil wollte in meiner Nähe sein.
»Ja, hast du’s ihm nicht gezeigt?«, fragte Oda-Gesine, während sie versuchte, eine Dosenpfirsichhälfte mit der Gabel in Vanillepudding zu zerquetschen.
»Aber nein, wie kommst du darauf?«
»Nur so. Weil er immer in deiner Nähe ist.«
»Logisch. Er ist ja auch mein Babysitter.«
»Jetzt mal ehrlich, Schätzchen. Kommt denn bei einer … angenähten Brustwarze … immer noch Muttermilch?«
»Nein.« Einmal musste ich es ihr ja gestehen. Dass ich schon längst nicht mehr stillte.
»Dann brauchst du deinen Boy ja eigentlich nicht mehr.«
»Doch«, sagte ich entschieden. »Ich brauch ihn.«
»Aber der kostet den SENDER ’ne Menge Holz!«
»Wenn DER SENDER Geld für Riemchensandalen und Klamotten und Fastenkuren im Fünfsternehotel und ’ne Schönheitsoperation hat, dann hat er auch Geld für Emil!«
»Scheinst ihn ja wirklich zu mögen, den Boy.« Oda-Gesine stellte den leergegessenen Plastiknapf auf meinen Nachttisch und drohte mit dem fetten Zeigefinger. »Nicht, dass du den armen Kleinen verführst! Sonst hätten wir unser kleines Skandälchen!«
Sie erhob sich mühsam und wies mit dem Kopf auf ihre beiden »Wört-Flört-Tröpf«-Fläschchen, die sie auf der Fensterbank abgestellt hatte. »Den Schampus könnt ihr zwei ja zusammen leer machen, wenn er dich wieder besucht. Jetzt, wo du nicht mehr stillst.«
Dann warf sie sich ihr schwarzes Zweimannzelt über die Schultern und drückte mir ein Küsschen aufs Haar.
»Servus, Schätzchen. Und denk an die Quote. Tag und Nacht.«
Geräuschvoll schloss sie die Tür, genau wie die Putzfrau von heute morgen, und wallte davon.
»Sie haben einen Busen wie eine Siebzehnjährige!«, schwärmte der Doktor, der jeden Tag zur Visite kam. »Da könnt ich mich noch mal verlieben!«
Ich überlegte, ob ich das als Kompliment auffassen sollte. Ein Schönheitschirurg, der sich in den Busen einer Patientin verliebte …
Ich fragte mich besorgt, ob sich Emil jemals wieder in irgendwas an mir verlieben würde. Komisch. Meinen Stillbusen hatte er geliebt und meinen Hängebusen auch. Er hatte alle meine körperlichen Entwicklungen miterlebt. Nun war ich repariert, instand gesetzt, wie ein Gebrauchsgegenstand, den man mal gründlich vom Fachmann überholen lässt.
Emil besuchte mich mit dem goldigen, prallwangigen Paulinchen. Er setzte mir mein Kind aufs Bett, zog ihr die Mütze und den Anorak aus, schüttelte einige Spielsachen vor ihr aus und hockte sich dann auf den Bettrand.
Er hatte mir wieder mal etwas Originelles mitgebracht. Ein selbstgemaltes Bild. Es zeigte ein Schwein, das auf dem Rücken im Bett lag. Es war eindeutig ein Krankenbett, denn am Gitter des Fußendes war eine Fieberkurve zu sehen. Das Schwein streckte alle vier Pfoten von sich und grinste zufrieden. Auf seinem Bauch war eine große Narbe, die wie bei Rotkäppchen und dem Wolf mit einem dicken Faden zugenäht war. Am Gitter war ein Schild angebracht, auf dem stand: »Mein Schweinebauch gehört mir!«
Ich war völlig gerührt und bat Emil, das Bild an meine Tür zu kleben, damit ich es immer sehen konnte.
»Wie geht es dir?«, fragte Emil schließlich scheu.
»Gut. Besonders, wenn ich euch sehe.«
»Hast du Schmerzen?«
»Nein. Keine. Überhaupt nicht.«
Emil schaute mich halb befremdet, halb ratlos an und sagte nichts.
»Ich habe mich nicht geändert«, sagte ich und nahm seine Hand. »Ich bin noch die Alte. Ich schwör’s dir.«
»Dann liebe ich dich noch«, sagte Emil, nahm das Paulinchen, zog es wieder an und ging.
»Du hast dich tatsächlich operieren lassen?!« Senta starrte mich fassungslos an.
»Ja. Warum nicht. Das war ich meinem Publikum schuldig.«
»Mädchen, Mädchen.« Senta schüttelte betrübt den Kopf. »Wie hast du dich verändert!«
»Aber doch nur äußerlich, Schwesterherz! Gefall ich dir etwa nicht?« Ich drehte mich beifallheischend vor Senta im Kreise.
Tatsächlich. Ich passte locker wieder in Größe achtunddreißig. »Leider kann ich wegen der kalten Jahreszeit keine nabelfreien Tops tragen, auch nicht beim Einkaufen, schade, aber
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