Der gemietete Mann: Roman (German Edition)
Näschen von Melanie zierte neuerdings ein winziger, schillernder Brilli. Ihre Fingernägel hatte sie dunkelblau lackiert.
Die anderen Mädels am Tisch waren genauso hübsch verpackt. Richtige kleine Appetithäppchen. Jede einzelne. Und die Jungs! Alle so knackig, lässig, sportlich. Ein ganz normaler Anblick eigentlich. Ich arbeitete nun mal in einer Jugend-Kult-Sendung. Und Emil passte da rein! Es war, als hätte er niemals woanders gesessen als neben Melanie. Dabei hatte er mindestens ein halbes Jahr lang mit dem Baby an der Tür gestanden.
Zuerst wollte ich mich freuen. Na bitte! Emil amüsierte sich! Endlich saß er mal bei Gleichaltrigen, unterhielt sich, lachte, flirtete. Ich gönnte ihm das von Herzen. Endlich stand er mal nicht mit dem Kinderwagen abseits oder schob allein durch die Gegend. Endlich hatte er Anschluss gefunden. Aber wo war Paulinchen? Moment mal! Das hatte er doch wohl nicht mitgebracht? Es war laut, es war hell, es wurde gegrölt, geraucht, mit Eiswürfeln gepinkelt!
Ich sprang auf und schritt entschlossen zum Nebentisch hinüber.
»Karla! Hi! Setz dich doch!«
Allgemeines bereitwilliges Zusammenrücken.
Ich fand sie alle schrecklich nett. Und ich freute mich, dass die Stimmung so gut war. Ich wollte auch keine Miesmacherin sein. Aber was ich da sah, stach mich mitten ins Herz. Paulinchen saß munter lachend auf Melanies Schoß. Auf Melanies!
Und mampfte eine Brezel. Melanie und Emil streichelten ihr kleines Köpfchen. Gleichzeitig. Ihre Hände berührten sich. Wie zufällig. Aber doch wie beabsichtigt.
Ich weiß nicht mehr, welche Gefühle es genau waren, die mich so aus der Fassung brachten. Die Muttergefühle? Man kann doch ein acht Monate altes Kind nicht nachts in so eine Kneipe mitschleppen.
Oder die Eifersucht? Verdammte kleine Göre, nimm deine feingliedrigen, faltenlosen, makellosen Hände von meinem Kind. Und von meinem Au-pair-Jungen!
»Also das geht jetzt aber entschieden zu weit!«, fauchte ich und riss das Paulinchen von Melanies Schoß. »Wisst ihr, wie spät es ist?«
»No, Mam.« Emil sah mich erschrocken an. Plötzlich war er so weiß um die Lippen, wie ich ihn nur einmal gesehen hatte. Auf der Hängebrücke im Onsernone-Tal.
Ich drückte mein Kind an mich. »Ihr könnt die doch nicht mit in diese Kneipe schleppen!«
»No, Mam.« Emil sah mich an.
»Ach, lass doch diesen Quatsch mit ›No, Mam, yes, Mam!‹«, herrschte ich ihn an.
Melanie legte ihre Hand auf sein Bein. »Wir wollten nur mal kurz auf ein Bier vorbeischauen.«
»Du mischst dich da überhaupt nicht ein, ja? Das ist eine Sache zwischen Emil und mir!«
Diesen Ton war niemand von mir gewöhnt.
Niemand. Nicht Emil, nicht die Mitarbeiter und auch nicht mein Paulinchen. Mein armes, kleines, rotznäsiges, brezelverkrümeltes Mädchen fing kläglich an zu weinen.
»Bestimmt hat es der Pauline nicht geschadet«, sagte Kim. »Hier am Tisch raucht keiner, und sie war auch gar nicht lange da.«
»Sie ist doch unser Maskottchen!«
»Unser kleines Tamagochi!«
Ich zog ein Gesicht, als hätte ich auf Scheiße gebissen.
»Ey, Karla! Hab dich doch nicht so!«
»Es ist Mitternacht!«, herrschte ich Emil an. »Ich erwarte von dir, dass du nachts bei Pauline im Zimmer bist!« Ich erwarte von dir, dass du nachts bei mir im Zimmer bist! Und auf mich wartest! Wie du das immer tust! Ich schämte mich für diese Gedanken.
Emil wollte sofort aufstehen, doch Melanie zog ihn am Arm. Er sank wieder auf die Bank.
»Wir haben nur auf dich gewartet! Schließlich bist du das erste Mal hier, und wir wussten nicht, ob du ins Hotel gefahren werden willst oder noch länger bleibst!«
»Ich kann mir alleine einen Fahrer besorgen!«
»Ich mache nur meinen Job!«
»Dann MACH deinen Job! Dazu gehört nicht, dass du mit meinem Baby in der Kneipe sitzt!«
»Du hast selbst gesagt, wir sollen uns einen netten Tag machen!«
Melanie hatte recht. Aber einen so netten Tag sollten sie sich auch wieder nicht machen! Dieser Ton stand dieser Praktikantinnen-Mieze überhaupt nicht zu. Ich war hier die Moderatorin! Und sie war eine Aushilfspraktikantin, eine, eine … Hilfskraft, noch nicht mal Studentin, ich weiß nicht, was, aber sie war hübsch, hübsch, hübsch! Jung, drahtig, durchtrainiert, tough, hip, girliemäßig! Von Natur aus! Alles, was ich mühsam versuchte zu sein!
Und sie wagte es, MEINEN Au-pair-Jungen anzufassen. Und ihn auf die Bank zurückzuziehen, während er MEINEN Befehlen gehorchen sollte. Das war das
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