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Der gemietete Mann: Roman (German Edition)

Der gemietete Mann: Roman (German Edition)

Titel: Der gemietete Mann: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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Zimmer, schnappte sich ihren Eimer und warf geräuschvoll die Tür hinter sich zu. Ich hörte sie nebenan die Tür aufreißen und ihren Eimer auf die Erde knallen.
    Für eine frisch Operierte war ich erstaunlich heiter gestimmt. Ich überlegte, ob ich es wagen sollte, allein aufzustehen, um ins Bad zu schleichen und mich dort ein bisschen frisch zu machen, falls der ägyptische Hautabschneider käme, um nach seinem Werk zu schauen. Zum Glück stürzten aber in diesem Moment zwei junge Schwesternschülerinnen laut lachend und plaudernd herein, rissen meine Bettdecke weg und fingen an, sie heftig zu schütteln.
    »Guten Morgen«, krächzte ich.
    »Aaach, das ist die von ›Wört-Flört‹!«, schrien die Beiden amüsiert, bogen meinen Oberkörper nach vorn und schüttelten auch noch das Kissen. »Sie sehen ja in echt voll besser aus als im Fernsehen!«
    Das war erstaunlich, denn ich war weder geschminkt noch gestylt, noch hatte ich etwas anderes an als ein im Nacken zu verschnürendes Flängerchen und Stützstrümpfe.
    »Ich möchte gern ins Bad!«
    »Wollen Sie alleine Wasser lassen, oder sollen wir Ihnen dabei helfen?«, schrien die beiden munteren Dinger.
    »Ich bin nicht schwerhörig«, sagte ich, »nur frisch operiert.«
    Die eine Schwester nahm mein Infusionsgerät vom Flaken, die Zweite griff meinen Oberarm, und dann schoben sie mir die Puschen an die Füße. Wir wankten zu dritt ins Bad. Ich fühlte nichts, mein Körper war noch immer völlig betäubt.
    Vorsichtig ließ ich mich auf der Klobrille nieder.
    Ich bitte um die Wand, dachte ich. Die eine Schwester hielt immer noch das Infusionsgerät. Die Andere schaute in den Spiegel und zog sich die Lippen nach. »Wie ist das eigentlich, wissen die Kandidaten echt immer voll spontan so schlagfertige Antworten?«, wollte sie wissen, während ich das Wasser abschlug.
    Oda-Gesine hatte mir eingetrichtert, nie, niemals preiszugeben, dass unsere Kandidaten alle ihre Antworten vorher auswendig lernten und dass jeder einzelne einen Einpeitscher hatte, der nicht eher ruhte noch rastete, bis der Kandidat fehlerfrei drei Sätze hintereinander aufsagen konnte.
    »Voll spontan«, sagte ich. »Reichen Sie mir mal das Klopapier?«
    »Und woher kriegt ihr immer so witzige Leute?«
    »Die werden gecastet. In Discotheken oder an Urlaubsorten.«
    »Warum casten die nicht in Krankenhäusern? Hier gibt’s voll witzige Typen!«
    »Sie haben recht. Ich werd’s ausrichten.«
    »Kann ich da auch mal mitmachen?«
    »Au ja, bitte, ich auch, ich auch«, hüpfte die mit dem Blutbeutel in der Hand.
    »Klar«, sagte ich, »könnt ihr. Jetzt würde ich mir gern die Zähne putzen.«
    »Das machen Sie mal besser im Bett«, sagte die eine. »Sonst kippen Sie uns noch um.«
    Ich war dankbar für diesen Tipp, denn schon wurde mir schwarz vor Augen. Die Beiden geleiteten mich mit jugendlichen Kräften wieder zum Bett, auf das ich dankbar niedersank.
    Das war ja eine Anstrengung, zum Klo zu gehen und wieder zurück! Ich hatte nicht das Gefühl, jemals wieder mehr als zehn Schritte hintereinander machen zu können.
    Die Eine befestigte den Blutbeutel wieder an seinem Ständer, die Zweite holte meine Zahnbürste und einen Spucknapf.
    »Dieser Eine mit dem voll süßen Tattoo«, sagte sie, während ich schäumend schrubbte, »der nicht wusste, was er beruflich macht, ist der noch zu haben?«
    »Keine Ahnung«, nuschelte ich und spuckte aus, »ich kümmere mich nicht um die Kandidaten.«
    »Nein?«
    »Na, jedenfalls nicht um alle«, sagte ich.
    Die Schwester reichte mir den Zahnputzbecher.
    »Haben Sie selbst denn schon mal einen Kandidaten süß gefunden?«
    Ich gurgelte und schüttelte verneinend den Kopf.
    »Keinen einzigen?«
    Ich spuckte aus. »Doch«, sagte ich. »Einen. Aber der war kein Kandidat.«
    Der ägyptische Doktor kam später zur Visite, rollte eigenhändig alle Bandagen ab und musterte kritisch sein Werk. »Hm-hm-hm«, sagte er, »gutt, gutt, gutt.«
    Ich sah nur blutdurchtränkte Verbände und war ziemlich entsetzt, aber der Fachmann nickte zufrieden und sagte: »Korsett.«
    Die Schwestern rannten gleich mit einem engen schwarzen Mieder herbei und zwängten mich dort hinein. Sie knüpften etwa siebzig Haken und Ösen zu, was Schwerstarbeit war, ich sah sie schwitzen und hörte sie keuchen. Das Korsett erinnerte mich an die schwarze Soutane eines alten Geistlichen, die auch über dem Bauche spannte.
    »Da bleiben Sie jetzt vier Wochen drin«, sagte der Doktor, »und danach sind Sie wie

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