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Der gemietete Mann: Roman (German Edition)

Der gemietete Mann: Roman (German Edition)

Titel: Der gemietete Mann: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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freiem Himmel. Neben den glänzenden Brombeerbüschen. Oder an seine zauberhaften Besuche an meinem Krankenbett. Mit dem zufrieden grinsenden Narben-Schwein.
    Nein. Keine Spielchen mit Emil. Dazu war mir die Zeit zu schade. Und außerdem: Aus dem Alter war ich raus.
    »Nein, Jo. Wirklich nicht. Du solltest nichts von mir erwarten. Ich bin Mutter von vier Kindern und außerdem viel zu alt für dich.«
    »Für äin unbeschwertes Zusammensääin ist man nie zu alt!«
    O Gott. So lautete bestimmt die Überschrift der Heiratsannonce in der »ZEIT«, die er vor kurzem aufgegeben hatte.
    Ich heuchelte ein bisschen herum. Wie müde ich sei und wie viel ich morgen arbeiten müsse. Aber hätte ich sagen sollen: Ich habe ein Verhältnis mit meinem Au-pair-Jungen, der mich allerdings gerade mit einer Praktikantin betrügt?
    »Ich will nur äinen schönen Abend mit dir haben, sonst nichts! Oder hast du den Äindruck, ich wolle dir zu nahe treten?«
    Nein, was war der Mann räizend!
    »Nein, natürlich nicht.« Ich räusperte mich verlegen.
    »Aber du hättest wirklich bei den jungen Leuten bleiben sollen. Jetzt bist du einmal in München, und schließlich hast du in der Sendung mitgemacht …«
    »Was äin riesengroßer Fehler war!«
    Ich zuckte die Schultern.
    Wir fuhren vor dem Bayrischen Hof vor. Die Türen wurden uns aufgerissen, man half mir mit dem Baby heraus.
    Jo warf einem der grau uniformierten Pagen mit Zylinder seinen Autoschlüssel zu. Dann standen wir im prächtigen Foyer. Wie immer herrschte ein geschäftiges Kommen und Gehen, wichtige und weniger wichtige Menschen, prominente und weniger prominente gingen ein und aus. Oben auf dem Balkon saßen die Beobachter und blickten bei einem Tässchen Mokka durchs Monokel auf das Treiben hinab. Wunderbar dekadent.
    »Also dann«, sagte ich. »Gute Nacht, Jo. Und danke fürs Mitnehmen.«

Was wohl Emil jetzt machte? Hoffentlich hatte er überhaupt Geld für die S-Bahn. Oder ging er wirklich noch mit Melanie in die Disco?
    Ein dunkeler Schacht ist Liebe, ein gar zu gefährlicher Bronnen! Da fiel ich hinein, ich Arme, kann weder hören noch sehn … nur stöhnen, nur stöhnen in meinem Wehn!
    Ich rangierte den Kinderwagen flugs in den goldenen Fahrstuhl. Drinnen schaute ich in den Spiegel. Was fand dieser Jo bloß an mir! Aufgetuffte Mutti mit Baby in Strick! Der konnte doch ganz Andere haben! Sämtliche Melanies und Carolins und Helenas im nabelfreien Spaghettiträger-Sterntalerhemdchen konnte der haben! Mit allen möglichen bezaubernden Tattoos und gepiercten Nabeln und Plateauschuhen und allem, was eine Frau von Welt eben ausmachte! Er hätte nur mit den Fingern schnippen müssen!
    Ich brachte Paulinchen ins Bett und schminkte mich ab. Mein Spiegelbild schaute mich blässlich an. So siehst du in Wirklichkeit aus, meine Liebe. Du musst der Wahrheit ins Auge sehen. Du bist vierzig, und du siehst auch so aus. Emil ist zwanzig. Und Senta hat recht.
    Aber Emil hat mich tausendmal so gesehen, dachte ich.
    So. Ungeschminkt. Blass. Übernächtigt. Und er hat mich so, wie ich war geliebt.
    Aber er hat ein Recht auf das, was er jetzt tut. Ja. Das hat er. Und ich gönne es ihm. Auch wenn’s weh tut.
    Dann stand ich lange am Fenster. Der Schnürlregen war in Schnee übergegangen. Ich betrachtete die beleuchtete Frauenkirche, vor der die wässrigen Flocken lautlos zur Erde glitten.
    Die Einschaltquoten stimmten nun endlich. Die Marktanteile auch. Das Publikum hatte mich akzeptiert. Die bösen Kritiken waren verstummt. Die hasserfüllten Briefeschreiber und Internet-Chatter auch. Jetzt hatte ich meine Ruhe. Warum ging ich nicht ins Bett und schlief endlich?
    Ich lehnte meinen Kopf an das Fenster. Kleine Eisblumen bildeten sich vor dem milchigen Himmel.
    Ich träumte von bunten Blumen, so wie sie wohl blühen im Mai, ich träumte von grünen Wiesen, von lustigem Vogelgeschrei, von lustigem Vogelgeschrei.
    Es sah wunderschön aus, die grünen Türme der Frauenkirche, in milchiges, geheimnisvolles Licht getaucht, und davor die tanzenden, immer dichter fallenden Schneeflocken. Langsam färbten sich die Dächer weiß.
    Doch als die Hähne krähten, da ward mein Auge naß, da war es kalt und finster, es schrien die Raben vom Dach.
    Wie kalt mochte es draußen sein? Ob Emil fror? Er hatte nur seine dünne Jeansjacke dabei. Hier drinnen war es gemütlich und warm. Die Heizung bollerte auf Hochtouren. Immer mehr kleine Eisblumen bedeckten die Scheibe.
    Doch an den Fensterscheiben, wer malte die

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