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Der gemietete Mann: Roman (German Edition)

Der gemietete Mann: Roman (German Edition)

Titel: Der gemietete Mann: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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Melanie hatte das Handy mit der Fahrernummer. Da. Die Tür. Endlich. Los, Fahrer rufen, Schnauze halten und abtreten. Oder ich ruf mir ein Taxi. Oder gehe zu Fuß.
    Es war aber der Wiener, der plötzlich da aus der Tür kam. Er hatte einen gut geschnittenen braunen Mantel an und einen schwarzen Schal um den Hals. Er sah maßgeschneidert aus. Der ganze Mann.
    »Schwierigkäiten?«
    Gerne wäre ich weggerannt, aber ich brauchte den Kinderwagen.
    »Nein, nein, alles im grünen Bereich. Ich will nur lieber mit dem Baby ins Hotel …«
    »Wo wohnst denn du?«
    »Im Bayrischen Hof.«
    »Oh, das ist ein netta Zufall, da wohn ich auch!«
    Ich glaubte ihm nicht. Die Kandidaten wohnen nie im Bayrischen Hof. Der ist viel zu teuer.
    »Ich häiße Jo«, sagte der Wiener sehr charmant. »Und es ist mir äine Fräude, dich jetzt nach Haause zu fahren. Ich wollte sowieso grad gehen.«
    »Bist du mit dem Wagen da?«
    »Ja, ich hab eh gescheeftlich in München zu tun, da hab ich den Firmenwagen genommen …«
    Der war wirklich kein kleiner dummer Junge. Er sah verdammt gut aus. Und hatte phantastische Manieren. Ob er in München Sendemasten aufstellen wollte?
    Gerade als er mir den Schlag seines Wagens aufhielt und ich mich mit Paulinchen vorsichtig hineingleiten ließ, kam Emil mit dem Kinderwagen aus dem Lokal gehetzt.
    »Entschuldigung«, stammelte er. »Wir mussten noch zahlen.«
    »Oje«, entfuhr es mir. »Das muss ich ja auch noch!«
    »Habe mir erlaaubt, das für diech zu erleedigen«, sagte Jo mit einer laichten Verbäugung.
    Emil klappte mit einem geübten Griff den Kinderwagen zusammen. Jo öffnete den Kofferraum, und Emil legte den Kinderwagen hinein. Dann stand er da auf dem Parkplatz, in seinen zerbeulten Jeans und seinem immer gleichen Sweatshirt, mit seinen löchrigen Turnschuhen und seiner Kappe auf dem Kopf. Unsicher. Unschlüssig. Unselbständig. Ein dummer Junge halt.
    Und Jo, der Mann von Welt, ließ sich auf seinen Ledersitz fallen, klappte die Tür zu – sie machte so ein leichtes, geräuschgedämpftes »Whoff« – und fuhr los.
    Wir ließen Emil einfach im Regen stehen.
    »War das däin Babysiieter?«
    »Ja. Mein … Au-pair-Junge.« Ich schluckte.
    »Na, du kannst ihm und säiner kläinen Fräundin ja aauch mal äinen fräien Abend geben.«
    »Ja«, sagte ich. »Klar. Er arbeitet sowieso zuviel.«
    Ich presste die Lippen aufeinander. Jo warf mir einen Säitenblick zu. Mit der einen Hand hielt er das Lenkrad, das mit einem Lederbezug versehen war. Mit der anderen Hand drückte er auf den CD-Player. Sofort ertönte Musik.
    Der charmante Jo schien tatsächlich Gefallen an mir zu finden. Wahrscheinlich stand er auf reife, sorgfältig geschminkte, hochtoupierte Damen im Girlielook. Dass die Lady ein Baby mit sich herumschleppte, fand er nicht weiter störend.
    Er wollte mich unbedingt noch zu einem Drink überreden.
    »Nein«, sagte ich. »Keine Chance.«
    »Ach, nur äinen kläinen Absacker an der Bar!«
    Alles, alles in den Wind, sagst du mir, du Schmeichler.
    Allesamt verloren sind deine Müh’n, du Heuchler.
    »Nein, Jo, wirklich nicht.« Außerdem: Tiefer kann ich gar nicht mehr absacken. Rein gefühlsmäßig.
    Ich sehnte mich nach Alleinsein. Danach, mit meinem kleinen Mädchen in der riesigen luxuriösen Suite zu hocken und es in den Armen zu wiegen. Vorher wollte ich mich abschminken und mir die Haare ausbürsten. Und endlich mit keinem mehr Small talk machen müssen. Das wollte ich.
    »Kann ich diech denn gar nicht mehr loockn?«
    »Nein, Jo. Ich lasse auch mein Baby nicht allein auf dem Zimmer.«
    »Wir können äinen Champaagner hinaaufbestellen.«
    Dieser zauberhafte Mann gab aber auch gar nicht auf.
    Die Vorstellung, mit einem fremden Wiener Schönling gemeinsam am Gitterbettchen zu hocken und Champagner zu trinken, war äigentlich rräizvoll. Besonders angesichts der Hoffnung, dass Emil irgendwann doch seinen löchrigen Turnschuh über die Schwelle unseres Etablissements setzen würde, nachdem er mit der S-Bahn nach Hause gekommen war. Eigentlich hatte ich riesige Lust, es Emil mal eben zu zeigen. So, Jungchen. Ich hab auch noch Chancen. Bei ganz anderen Männern als bei dir. Bei richtigen Sendemastenaufstellern. Du kannst das Wort noch nicht mal schreiben.
    Aber Spielchen spielen mit Emil?
    Nein. Dazu hatten wir zuviel gemeinsam durchgemacht.
    Wenn ich an die Nacht vor dem Gotthardtunnel dachte. Oder an das Erlebnis mit der Hängebrücke. Oder an die vielen wunderbaren Nächte im Tessin. Unter

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