Der gemietete Mann: Roman (German Edition)
mit dicken Wollstrümpfen über hautengen Tanzbeinkleidern vor ihren Mineralwasserflaschen und Kassettenrecordern auf der Erde herum. Sie waren völlig flachbrüstig und voller Sehnen und Muskeln. Sie alle hatten bestimmt schon mal was von Dr. Strunzens Fettverbrennungsseminaren gehört. Sie rekelten sich zur Entspannung ein bisschen im Spagat oder tranken Mineralwasser, während sie einen Salto rückwärts schlugen.
Der schwule Ballettmääister war sehr erfreut, uns zu sehen. »Aaah, das sind jetzt die Leeetzten!«, rief er begäästert aus, eilte auf uns zu und küsste uns rechts und links auf die Perücke. »Mit ääuch hab ich nur an ganz klääines Täänzchen zum Aäinstudiern«, sagte er froh.
Er merkte gleich, Hansi war nicht gerade ein Ausbund an Körperlichkeit und Musikalität. Hansi war bei »Wört-Flört« eigentlich nur die Stimme. Die sanfte, plüschige Teddybärstimme aus dem Hintergrund. Er musste immer mit viel Schmand in der Kehle hauchen: »So, liebe Carolin, wer soll nun dein ›Wört-Flört‹ sein? Kandidat eins, der dich auf seiner Pizza zwischen Paprika und Peperoni gleich vernaschen will, weil er so scharf ist, oder Kandidat zwei, der ein Kondom nur für einen Banküberfall überzieht, weil er so dumm ist, oder Kandidat drei, der die männliche Tafel Schokolade an den Nüssen erkennt, weil er so schlau ist. So, liebe Carolin. Jetzt musst du dich entscheiden.«
Tja. So, liebe Ösis. Jetzt müsst ihr Hansi tanzen sehen. Zur Strafe. Aber ihr habt es so gewollt.
Der Ballettmääister zeigte uns ein paar harmlose Tangoschritte. Ich presste den sperrigen Hansi an meinen Busen und zwang ihm meinen Rhythmus auf. Leider war Hansi gänzlich unmusikalisch. Es war ein anstrengendes Unterfangen, mit Hansi Tango zu tanzen. Auch oder gerade weil ich die Führung hatte. Ich schob und zerrte an Hansis Dirndlkleid, aber er ließ sich wirklich schwerer bewegen als eine alte Bauerntruhe. Der Ballettmääister verzog säuerlich das Gesicht.
»Lääicht müüsen’s die Bääine setzen!« Nein, es war nicht möglich. »Mei wie schaat das liab aaus!«, freuten sich die Ensemblemitglieder vom Ballett. Mit den dicken Socken über den mageren Waden lümmelten sie mit spöttischen Gesichtern an ihren Reckstangen und machten angelegentlich ihre Dehnübungen. Ich fand nicht, dass wir lieb aussahen. Eher bescheuert. Karl hätte gesagt, alle bescheuert und keiner spricht deutsch.
Doch Hansi konnte das nun mal nicht so lääicht. Er war ein dicker, gemütlicher Tanzbär, der immer herzlich über seine eigene Tollpatschigkeit lachte.
»Naa, so geht das nicht«, murmelte der Ballettmäister besorgt. Ein Blick auf die Uhr zeigte ihm, dass er sich jetzt etwas ääinfallen lassen musste. Schließlich ging die Lääif-Seendung in zwääi Stunden über den Seender.
Ich hätte so gern mal richtig Tango getanzt. Nie tanzte einer mit mir Tango. Warum konnte ich jetzt nicht das Ballettmeisterlein an mich pressen und mit ihm in kühnen Schwüngen über das Parkett fliegen? Es wäre äin läichtes gewesen, und meine Heino-Perücke wäre im Winde des Geschwindigkäitraausches hin- und hergeflogen.
Das Ballettmeisterlein schien es selber zu bedauern.
Seine Probeschritte mit mir, dem bescheuerten sehbehinderten Frauchen im biederen Lodenanzug mit Hirschhornknöpfen, hatten in ihm doch mehr Freude geweckt als die Probeschritte mit dem nicht von der Stelle zu bewegenden Kleiderschrank im Dirndl mit Troddeln und aufgeschreckt flatternden Rebhühnern über behaarter Männerbrust.
Sofort improvisierte der wackere Ballettchef eine Tanznummer mit seinem Ensemble im Vordergrund. Wir, also Hansi und ich, sollten nunmehr nur noch Arm in Arm um einen Dorfbrunnen herumschreiten, aber »wenn mööglich ist, bittschön im Taakt«. Wir versuchten es. Hansi gab sich unendliche Mühe. Ich dachte tapfer an die Ääinschaltquoten und die Marktantääile von zwei Prozent, die Oda-Gesine noch zum Glücke fehlten, und schritt immer wieder beherzt mit dem tolpatschigen Hansi um den Dorfbrunnen herum, während das leichtfüßige Fernsehballett im Vordergrund umeinander schwebte. Ich beneidete sie alle.
Dann war die Probe beendet.
Wir strebten der Kantine entgegen, Hansi-im-Dirndl und ich. Ich versteckte mich hinter meiner Sonnenbrille. Kein Schwein würde mich hier erkennen. Kein Schwein. Vor allen Dingen sah mir keiner an, dass ich heute vierzig war. Diese Sonnenbrille schickte der liebe Himmel.
In der Kantine saßen viele Wiener und Wienerinnen,
Weitere Kostenlose Bücher