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Der gemietete Mann: Roman (German Edition)

Der gemietete Mann: Roman (German Edition)

Titel: Der gemietete Mann: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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Kopfhörer auf den Ohren auf meinem riesigen, luxuriösen Hotelbett mit Blick auf die rechte oder linke Wienzeile und lernte den anspruchsvollen Text.
    Vor mir auf der marmornen Konsole lehnte wohlig eine Flasche Champagner im Bottich. Die stand nicht wegen meines Geburtstages da. Sondern weil ich ein »VIP« war. Daneben stand ein silberner Kelch mit golden verpackten Pralinen. Auch dieser Kelch war nicht persönlich gemeint. Niemand meinte in dieser Branche etwas persönlich. Andere Frauen, die vierzig werden, feiern im Kreise ihrer Lieben, dachte ich. Mit Kaffee und Kuchen am gedeckten Tisch, und die Kinder bringen Geschenke, und Freunde bringen ein Küsschen. Aber ich hatte es so gewollt. Kein Mitleid! Die »Ich-geb-mir-die-Kugel-«Pralinees lugten mich spöttisch an. Nicht, dass du denkst, du könntest uns essen! Das ist alles nur zum Anschauen. Fernsehmoderatorinnen essen nicht, was man ihnen aufs Zimmer stellt. Schon gar nicht die Vierzigjährigen. Die schauen das nur an. Sei froh, dass du noch lebst. Lange kann es nicht mehr dauern.
    Ich beschloss, alles für Oda-Gesine mitzunehmen. Im Schmutzige-Wäsche-Sack.
    »Tan-ze mit mir in den Morr-genn, tan-ze mit mirrr in das Glück … in dei-nen Arrrmän zu trrräu-män … ist so schön bei verrrliee-bter Musik.« Jaja. Das passte zu meinen Gefühlen. Hach. Berühmtsein ist herrlich. Und Einschaltquoten und Marktanteile sind das Erstrebenswerteste, was eine Frau in der Mitte des Lebens sich erträumen kann.
    Von der nahe gelegenen Karlskirche schlug es zwölf Uhr mittags. Zeit, der Karriere nachzujagen.
    Ich stopfte meinen Walkman mit der Heino-Musik in den Rucksack, hängte meine Siebensachen in den Schrank und fuhr mit dem Fahrer des Senders zum Oo-er-eeef.
    Der Fahrer hieß Herr Much. Er war alt, dick, faltig, knarzig und sprach so tiefes Wienerisch, dass ich nur jede dritte Äußerung verstand. Aber ich mochte ihn auf Anhieb. So ein netter, bodenständiger, lebenskluger Mann! Sein Humor war ganz köstlich, und am liebsten hätte ich mich an seine lederne, speckige Jacke gelehnt und gesagt, Mensch, du, Herr Much, ich werd heute vierzig, und ich bin im Zenit meines Lebens angelangt und frage mich besorgt nach dem Sinn meines Tuns. Außerdem geht mein zwanzigjähriger Geliebter mit einer Sechzehnjährigen fremd, was ich gerade am heutigen Tage nur schwer verkrafte. Langer Rede kurzer Unsinn: Ich lasse meine vier Kinder allein, um zwei Prozent Marktanteilen nachzujagen, indem ich mich als Hääno verklääde. Bitte, geben Sie mir äänen Rat, Herr Much! Dann hätte Herr Much bestimmt »Passen Sie gut auf sich auf« oder »Alles wird gut« gesagt.
    Im Sender führte man mich in die Maske. Dort hing bereits Heino an der Wand. Also nicht er selbst, aber doch seine Hülle. Seine Haare, seine Brille, seine Joppe, sein Wams, sein biederer gebügelter Trachtenanzug und die blankgeputzten Halbschuhe.
    »Das zieh ich nie und nimmer an«, entfuhr es mir, genau wie Karl und Oskar das immer sagten, wenn ich sie in die »Knaben-Oberbekleidung« von C&A führte.
    »Na, dann maachen Sie die Haanneloore«, sagte die Redakteurin. »Mir soll’s räächt sääin.«
    Neben Heino hing Hannelore. Ein herziges Dirndl mit Rüschenkragen über dem Busenritz, ein glockiges Bluserl mit Puffärmeln, gestickte Blumenränder, eine rosa Schürze, grobe weiße Kniestrümpfe über Trachtenschuhen mit Troddeln und ein Halstuch, das viel schlimmer war als das mit den Dackeln. Hier waren Rebhühner drauf. Flatternde.
    »Nein, ist schon gut, ich mach doch lieber Heino«, sagte ich. »Da kann ich mich unter der Perücke und hinter der Brille verstecken.«
    Der arme Hansi, ein gutmütiger, schwergewichtiger Mann, der keiner Fliege was zuleide tun konnte, musste sich in das Hannelore-Kostüm zwängen. Und eine lange Lockenperücke aufsetzen. Es dauerte zweieinhalb Stunden. Als wir fertig waren, sahen wir wirklich aus wie Heino und Hannelore. Ich starrte entsetzt in den Spiegel. Mein Gott. Was so eine Maske alles anrichten kann.
    Aber es war ja nur ein Scherz, hahaha. Nur, um mich bei den Leuten noch beliebter zu machen, als ich es eh schon war. Für zwää Prozent Ääinschaltquote konnte man sich schon ein bisschen läächalich machen.
    »Aber jetzt net mehr aausziehen! So müsst’s ihr jetzt bis zum letzten Abspann bläiben!«
    Hansi und ich wurden durch viele verschlungene Gänge geführt, bis wir im Probensaal des Fernsehballetts ankamen. Hier lümmelten einige schlanke, sehnige junge Menschen

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