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Der gemietete Mann: Roman (German Edition)

Der gemietete Mann: Roman (German Edition)

Titel: Der gemietete Mann: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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die mit Bussen zu dieser Show gekarrt worden waren. Sie alle hatten einen Gutschein für ein Wiener Würstchen und eine Tasse Kaffee. Als sie mich erblickten, jubelten sie begääistert und umringten mich stürmisch.
    »Der Hääno, der Hääno, schaau, Mutta, da is der Hääno!«
    »Ich bin nicht Heino«, beteuerte ich. »Ich seh nur so aus. Hansi! Hilf! So lass mich doch nicht allääin!«
    Aber manche von den halbblinden, schwerhörigen alten Mütterchen wollten mir nicht glauben. Sie schoben mir Heino-Fotos hin und flehten um ein Autogramm. Sie zogen mich am Ärmel und schoben mir wüst drängelnd ihre Autogrammbücher vor den Busen. Darin klebten schon viele Fotos von vielen berühmten Persönlichkeiten. Mich hätte interessiert, ob Karla Stein auch in ihren Büchern klebte. Aber ich wollte kein unnötiges Aufsehen erregen.
    »Unterschreib doch einfach mit Heino«, sagte Hansi-alias-Hannelore, der völlig unbelästigt in seinem Dirndl über haarigen Waden am Büfett stand und sich mit Wiener Würstchen auf Gutschein vollstopfte.
    »Ist das nicht Urkundenfälschung?«, fragte ich besorgt.
    »Aber nein.« Meine Hannelore schlug sich noch eine ordentliche Portion Senf auf die Würstchen. »Das ist doch alles nur Spaß!«
    »O.K.«, sagte ich zu den halbblinden, halbtauben hysterischen Wiener Mütterchen. »Mama macht nur Spaß.«
    Und dann unterschrieb ich mit »Heino«. Es machte richtig Freude, mit »Heino« zu unterschreiben. »Nicht drängeln, ihr kommt alle mal dran«, rief ich gutgelaunt, und dann erspähten mich noch mehr anrollende Busladungen, und man stürmte zu mir hin, und man hielt mir noch mehr Autogrammbücher und Zettel und Bierdeckel unter den Busen. Ich unterschrieb und schaute in die Menge und fragte »Für wen bitte?« und reichte die Bücher und Zettel und Bierdeckel zurück. Da blieb mein Blick an einem Gesicht haften, das ich schon einmal gesehen hatte. Wegen meiner dunklen Brille erkannte ich den Mann nicht so richtig. Ich nahm ja alles nur sehr dämmrig wahr. Aber ich wusste, dass ich ihn kannte.
    Ich schrieb. Knuffen, rangeln, boxen, drängeln.
    Die Augen. Wer war der Kerl? Er guckte mich an. Ich hatte schon mit ihm geredet. Vor gar nicht langer Zeit. Irgendein Regisseur oder ein Redakteur? Hielt er mich etwa auch für Heino? Vielleicht wollte er ein Interview? Wer könnte das sein? Was machte der hier? Plötzlich wusste ich: Der ist nicht zufällig hier. Der ist wegen mir hier. Da fiel es mir ein. Jo. Dr. Joachim wie-hieß-er-noch-gleich. Mein Rosenkavalier. Der auf reife Frauen stand. Genau. Merz. Ingenieur. Der Kandidat aus Wien. Was machte der denn hier?
    Ich drehte mich hastig um. Die Mütterchen drängelten.
    Der entblödete sich doch nicht … wegen MIR, also wegen Karla Stein … der suchte mich doch nicht etwa? Der konnte doch nicht wissen, dass ich in Wien war. Und selbst wenn er es womöglich in der Zeitung gelesen hatte, der ahnte doch nicht, dass ich hinter dieser albernen Verkleidung steckte …?
    »Servus, Karla.«
    Da stand er schon. Bildschön. Knallhart. Der schob die Mütterchen einfach beiseite. Was wollte der denn bloß von mir?
    »Hallo, äm …«
    »Jo. Joachim Merz. Wir kennen uns aus München.«
    »Ja, genau. Natürlich. Jo. Ich erinnere mich.«
    »Hast du äänen Moment Zääit?«
    Nään. Siehst du doch. Ich bin Hääno, äänmal im Leben, ich werde umringt und geliebt und geküsst, man will mich am Ärmel fassen und meinen Namenszug in einem Buch mit sich herumtragen. Das lasse ich mir nicht entgehen!
    »Äm … ja, also, eigentlich nein, wir müssen gleich zu so einer komischen Show, ich meine, wieso hast du mich erkannt? Was machst du hier?«
    »Dich würde ich iimma und überall erkennen, Kaala Stään.«
    Wir ließen die Mütterchen stehen und setzten uns an einen schmucklosen Kantinentisch am Fenster mit Blick auf das trübe, dämmrige Wien. Bei uns in Köln war schon Frühling, aber hier waren die Bäume alle noch kahl. Auf dem Tisch stand ein Ensemble aus Maggi-Flasche, Salz- und Pfefferstreuer, Senf- und Ketchup-Pupser.
    Jo schien diese Tristesse nicht zu stören. Er schenkte mir feurige Blicke aus braunen Augen. Es war mir entsetzlich päänlich.
    »Ich sehe bescheuert aus«, murmelte ich verlegen und wischte einige Krümel vom Tisch.
    »Aber nään, du schaaust unbeschrääblich liab aas.«
    »Scheiße! Quatsch nicht! Ich könnt im Mauseloch versinken!«
    »Ich weiß ja, wie du in Wirklichkäät aasschaast«, sagte Jo und legte seine Hand auf mein

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