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Der gemietete Mann: Roman (German Edition)

Der gemietete Mann: Roman (German Edition)

Titel: Der gemietete Mann: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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gekommen. Ich hab gedacht, du liebst mich nicht mehr.« Er starrte trüben Blickes in seine dampfende Tasse.
    Jungchen, Jungchen, dachte ich. Was sind wir doch alle naiv. Lassen uns komplett einspannen in ein prima inszeniertes Drama in drei Akten. Alles nur Maskerad’. Und wir merken’s nicht.
    »Und Melanie?«, fragte ich möglichst unbeteiligt.
    Ein ganz schwaches Grinsen entrang sich seinen weißen Lippen. »Sie hat nur Nintendo gespielt und sich die Nägel angemalt und sich in Ascona Klamotten gekauft und wollte abends in die Disco. Ich konnte ja nicht mit, weil ich bei Paulinchen bleiben wollte.«
    »Nichts anderes habe ich dir zugetraut«, nickte ich.
    »Außerdem ist sie langweilig.«
    »LANGWEILIG?! Melanie?! Was du nicht sagst.« Leider musste ich ein bisschen grinsen.
    »Ich hab dich so vermisst!«, wiederholte Emil, ohne mich anzuschauen.
    »Und da musstest du dir gleich die Haare abschneiden, ja?«
    »Melanie fand das cooler so.«
    »Und ich finde es cooler, wenn sie lang sind. Klar?«
    »Yes, Mam.«
    Ich zog den armen Emil in seinem grobgestrickten Pullover zu mir heran und umarmte ihn. Er roch nach seinem Hilfinger-Parfum. Er umschlang mich mit seinen kratzigen Pulloverarmen.
    »Ach, Karla, ich liebe dich doch so!«
    »Das weiß inzwischen ganz Deutschland!«
    »Ist das schlimm?«, fragte Emil.
    »Nein«, sagte ich. »Schlimm ist nur, dass du dieses Ding da in der Nase hast.«
    Emil popelte ein bisschen in der Nase und zog schließlich den kleinen Knopf hervor. Errötend überreichte er ihn mir.
    »Darf ich?«
    Ich ging ins Bad, trat auf den Treteimer und entsorgte die Geschmacksverirrung meines Au-pair-Jungen diskret.
    Dann gingen wir hinaus zu den Brombeerbüschen.
    Auf der Rückfahrt hörten wir Brahms’ Liebesliederwalzer.
    »Oh, die Frauen, oh, die Frauen«, knödelte Emil in komischer Verzweiflung. »Wie sie Wonne, Wonne tauen! Wäre lang ein Mönch geworden, wären nicht die Frauen!«
    Ich musste laut lachen. Er hatte ein bezauberndes komisches Talent.
    Als unser Lieblingslied kam: »Wenn so lind dein Auge mir und so lieblich schauet – jede letzte Trübe flieht, welche mich umgrauet!«, musste ich ein bisschen schlucken. Ich schaute Emil an. »Diese Liebe, schöne Glut, laß sie nicht verstieben …«
    Und Emil schaute zurück. »Nimmer wird wie ich so treu dich ein andrer lieben.«
    »Ach, Emil«, sagte ich und legte die Hand in seinen Nacken, das heißt auf den Rand seiner Schirmkappe.
    »Melanie hört immer nur Modern Talking«, sagte Emil.
    »Jedem das Seine«, sagte ich.
    »Nein, es ist nicht auszukommen mit den Leuten – alles wissen sie so giftig auszudeuten!« brüllten wir voller Hingabe. »Bin ich heiter, hegen soll ich looose Triebe – bin ich still, so heißt’s, ich wäre irr aus Liebe!«
    »Ich hab auch deine Lieder vermisst«, sagte er. »Modern talking ist langweilig.«
    »Was du nicht sagst.« Ich grinste froh in mich hinein. Mein Emil hatte doch Niveau! Nicht umsonst hatte ich ihn viele Male in die Oper und ins Konzert mitgenommen. Ich hatte das Gefühl, einen Diamanten geschliffen zu haben. Auch wenn dieser Diamant immer noch in Sweatshirt, Jeans und Baseballkappe steckte. Aber was machte das? Er war er. Und das sollte er immer bleiben.
    »Wißt ihr, wann mein Kindchen am allerschönsten ist?
    Wenn sein süßes Mündchen scherzt und lacht und küßt!
    Schätzelein, du bist mein, inniglich küß ich dich, dich erschuf der liebe Himmel einzig, einzig nur für mich!«
    Paulinchen klemmte in ihrem Kindersitz und brabbelte und quietschte vor Wonne.
    Kurz hinter dem Gotthard löste Emil mich mit Fahren ab.
    Ich legte mich hinten zu meinem Paulinchen, wickelte uns beide in die Wolldecke und schlief sofort ein.

»Oda-Gesine will dich sofort in München sehen!« Senta wedelte aufgeregt mit einem Fax, als wir ankamen.
    Ich schärfte ihr ein, weiterhin nicht ans Telefon zu gehen, mit keiner Seele zu sprechen und weder Emil noch Paulinchen in die Öffentlichkeit zu lassen.
    Ich sprang unter die Dusche, küsste und herzte alle meine Kinder, besonders Emil, und flog nach München.
    Als ich mit einem Taxi vor Oda-Gesines völlig einsam am Waldrand gelegenem Haus vorfuhr, war es kurz nach Mitternacht. Trotzdem war der Hauseingang hell beleuchtet. Ein großer Köter mit seiberndem Maul bellte mich heiser an, als ich aus dem Taxi stieg. Das war also dieser Bönni. Es bellen die Hunde, es rasseln die Ketten, es schlafen die Menschen in ihren Betten, träumen so manches, was sie nicht

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