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Der gemietete Mann: Roman (German Edition)

Der gemietete Mann: Roman (German Edition)

Titel: Der gemietete Mann: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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schrien meine Söhne aus dem Nebenraum. Ich hätte gern den Fernseher genommen und aus dem Fenster geschmissen. Meine Nerven waren zum Zerreißen gespannt.
    In einer Sonderausgabe, die dem Blatt beigelegt war, brachte man die Chronik von »Wört-Flört« mit vielen bunten Fotos aus den letzten zwanzig Jahren. Oda-Gesine, jung und schlank, war auch auf den Bildern zu sehen.
    »Skandalumwobene Kult-Show!« war die Überschrift.
    »Hier werden nicht nur freche Sprüche gekloppt, hier geht es auch wirklich zur Sache!« Darunter stand ein Interview mit Oda-Gesine:
    »Ich habe die Show viele Jahre lang selbst moderiert«, gab sie von sich. »Dann hatten die Männer die Macht. Als ich letztes Jahr die Rechte an ›Wört-Flört‹ kaufte, war mir klar: Ich will wieder eine Frau! Das Risiko, eine Frau um die Vierzig für eine Jugend-Kult-Sendung zu engagieren, war die Herausforderung schlechthin! Karla Stein hat sich nach oben gekämpft! Sie ist eine außergewöhnliche Moderatorin. Sie hat vier Kinder und ist alleinerziehende Mutter. In einer solchen Jugend-Kult-Sendung wie ›Wört-Flört‹ stößt sie natürlich auf Widerstand, aber der Sender will provozieren. Die Entführung ihres süßen Mädchens hat das ganze ›Wört-Flört‹-Team total geschockt. Schließlich lieben wir alle das Baby, als wäre es unser eigenes! Es war sozusagen unser aller Maskottchen. Auch der Boy machte einen sehr guten Eindruck.«
    Nein, dachte ich. Hier ist irgendwas faul.
    »Mama, spielst du mit mir Memory?« Katinkalein warf sich eifersüchtig auf die Zeitung.
    »Später, mein Schatz. Jetzt muss ich erst was lesen.«
    »Selbstverständlich wird DER SENDER die zehn Millionen Mark Lösegeld bezahlen. Wir stehen zu unserer Moderatorin, das ist Ehrensache. Wir wissen, dass unser Publikum es von uns erwartet!« Und daneben prangte ein Bild von Oda- Gesine, die einen geöffneten Geldkoffer in die Kamera hielt. Mit vielen, vielen Tausendmarkscheinen drin. Täuschte ich mich, oder hatte man für das Foto im Hintergrund sehr ordentlich etwa hundert »Wört-Flört-Törts« aufgestapelt?
    »Verdammt gute Promotion«, murmelte ich fassungslos.
    »Wie kannst du jetzt an Promotion denken!«
    »Ich denke an unser Paulinchen«, sagte ich. »Und ich bin sicher, dass es ihr gut geht.«
    »Wie kannst du da so sicher sein!«
    »Wenn sie bei Emil ist, dann geht es ihr gut.«
    »Aber Emil ist einfach durchgebrannt! Übrigens …«, Senta holte tief Luft, um ihren Worten mehr Gewicht zu verleihen, »mit diesem Flittchen. Wie heißt sie? Melanie. Die Mutter hat hier angerufen. Ich habe gesagt, ich weiß von nichts.«
    »Ach«, sagte ich. Das tat weh. O Gott, das tat so verdammt weh! Plötzlich war ich nicht mehr sicher, dass es Paulinchen gut ging. Wenn Melanie nun doch dahintersteckte? Aber die war doch strohdoof! Die konnte doch nicht bis drei zählen, geschweige denn bis zehn Millionen! Die war doch nicht in der Lage, eine Kindesentführung professionell durchzuführen …
    »Wer weiß, in welchen Kreisen diese Melanie verkehrt!«, argwöhnte Senta düster.
    »Du meinst, sie ist das Werkzeug irgendeiner Bande?«
    »Leiser! Sonst stellen wir den Fernseher lauter!« Meine Söhne knisterten wütend mit ihren Chipstüten.
    »Natürlich! Arbeitslose Jugendliche, die nichts zu tun haben! Melanie wird damit angegeben haben, dass sie dich kennt, dass sie dein Baby im Park spazieren fährt und dass Emil in sie verliebt ist …«
    »Emil IST nicht in sie verliebt!«
    »Karla! Bist du so blind, oder willst du es einfach nicht wissen!«
    »Wie du meinst.«
    Wenigstens hatte Senta das Blumenstrauß-Video noch nicht gesehen.
    »Und was machen wir jetzt?«
    »Deine Produzentin sagt, die Polizei muss unbedingt rausgehalten werden.«
    »Wieso? Stand das im Erpresserbrief?«
    Senta zuckte betrübt die Achseln. »Ich weiß alles nur aus den Zeitungen.«
    »Mama, guck mal, da bist du!«, brüllten meine Knaben von nebenan.
    Wir stürzten zum Fernseher.
    Tatsächlich. Zuerst spielten sie ein Opening von mir aus einer der letzten »Wört-Flört«-Sendungen ein, mit dem Jingle dazu, ich trat aus meiner Auftrittsgasse und hatte ein nabelfreies Hemdchen an. Das musste eine ganz neue Sendung sein. Und dann sah man mein Gesicht in Großaufnahme. Vor einem anderen Hintergrund. Ich starrte mit offenem Mund auf irgendwas.
    »Kinder, kommt da weg!«, rief ich kraftlos aus.
    »Nö. Wiesodn! Ist doch geil!«
    Man hielt mir eine Zeitung unter die Nase, ich versuchte, die Headline zu entziffern,

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