Der gemietete Mann: Roman (German Edition)
eine Filmaufnahme vorbereitet hatte. Überall lagen Schnüre und Kabel, und jetzt entdeckte ich auch neben Oda-Gesines voluminösen Schränken mehrere Scheinwerfer, die noch nicht eingeschaltet waren.
»Frau Stein, wenn Sie soweit sind, dann machen wir noch ein bisschen Maske, und dann können Sie in diese Kamera hier mit dem Entführer sprechen.«
»Wieso Maske?«
»Hallo, du arme Karla-Maus!« Das war des schwulen Saschas Stimme. Er kam gerade aus der Küche, wo er seine Pinsel und Schwämmchen ausgebreitet hatte. »Ich kann total fühlen, wie es dir jetzt geht, du, und es tut mir alles so schrecklich leid, du, voll ehrlich, du!« Er kniete sich vor mich hin und begann zu tupfen und zu wischen. »Das kriegen wir total echt hin, du. Ein bisschen verweinte Augen, und die Haare diesmal voll wirr, das kommt wahnsinnick echt daher.« Er ersparte sich sein Lieblingswort »girliemäßick«. Das passte auch in diesem Rahmen nicht.
»Wie, das kommt echt daher! Wird hier was gespielt?!«
»Aber nein, Karla!« Oda-Gesine biss in eine Frikadelle mit Senf. »Hach, immer wenn ich nervös bin, muss ich was essen. Ich sollte auch mal abnehmen wie die Karla. So, fertig, Leute? Alles auf Anfang! Wir wollen heute Nacht ja noch ein bisschen schlafen, gell? Morgen haben wir drei neue Sendungen!«
»Wie, ihr wollt morgen AUFZEICHNEN ?« Ich war fassungslos. »Mit MIR?«
»Morgen ist alles LIVE!«, strahlte Oda-Gesine, wild kauend. »Wir haben zwei Polit-Sendungen aus dem Programm gekippt. ›Wört-Flört‹ ist jetzt in aller Munde.«
»›Wort-Flört-TÖRT‹«, verbesserte Herr Bönninghausen.
»So, Leute, fertig jetzt!«
»Frau Stein, sehen Sie bitte in diese Kamera, und dann können Sie ruhig ein bisschen betroffen sein, ganz echt können Sie Ihre Gefühle rüberbringen, und dann sagen Sie bitte dem Entführer, dass Sie alles tun werden, um Ihre kleine Tochter wiederzubekommen.«
»Quatsch, Karla. WIR tun alles, WIR zahlen zehn Millionen. In BAR.« Und nach rückwärts rief sie: »Ist das gut, wenn wir die Knete reinhalten?«
»Knete reinhalten?« Ich schluckte.
»Das Lösegeld. Hier. Na, alles kann sie nicht halten, aber zwei von den Koffern kann sie schon aufmachen. Ist das gut so? Oder so besser?«
Ich traute meinen Augen nicht! Da schleppten sie riesige Koffer herbei, Alumium-Hartschalenkoffer, und als sie zwei davon öffneten, fielen mir die gebündelten Tausendmarkscheinpäckchen entgegen! Ich erinnerte mich an das Foto in der Boulevardzeitung. Die hatten hier wirklich ein paar Millionen rumfliegen!
»Ist das echt?«, entfuhr es mir.
»Ja, ja, nicht von Monopoly«, näselte Sascha stolz.
»Was ist mit den Törts?«, fragte Herr Bönninghausen aus dem Hintergrund. »Können die mit ins Bild?«
»Herr Bönninghausen«, sagte einer der Männer auf dem Sofa. »Ihre Törts sind auf jedem Zeitungsfoto, in jedem Interview und in jeder Fernsehszene. Vielleicht lassen wir sie in Anbetracht der Brisanz dieser Situation mal weg.«
»›Wört-Flört-Törts‹ lassen wir NIE weg«, bestimmte Herr Bönninghausen. »Niemals.« Er wischte ein paar Dutzend Nougatriegel in den ersten Koffer voller Geld. »So. So kann das bleiben.«
»Was ist mit den Eis-Törts?«
»Die schmelzen!«
»Trotzdem! Das neue Produkt muss unbedingt …«
»HERR Bönninghausen!«
»Ich BESTEHE darauf!« Herr Bönninghausen wurde böse.
»MEINE Firma hat die Hälfte des Geldes zur Verfügung gestellt, und MEINE Firma hat ein Recht auf angemessene Promotion ihres neuen Produktes! Der Eislümmel kommt in den anderen Koffer!«
Sascha und einige andere Handlanger bemühten sich eifrig, ein paar Eistörtchen aus der Großpackung zu klauben und unauffällig unter die Tausendmarkscheine zu mischen.
Oda-Gesine bückte sich zu mir herunter, soweit das ihre wogenden Massen zuließen. Sie roch entsetzlich nach Frikadellen.
»Pass auf, Karla. Kein Schwein weiß von der Schieberei mit dem Geld. Herr Bönninghausen nimmt das auf seine eigene Kappe. Alles nur für dich, Schätzchen. Offiziell ist das Veruntreuung, darauf steht Knast. Aber wenn wir den Entführer erst haben …«
»Wieso ›den Entführer‹? Ich denke, es geht um Emil?«
»Ja, sicher. Davon gehen wir alle mal aus.«
»Aha.«
»Also das Geld: Der Bönninghausen riskiert Kopf und Kragen für deine kleine Tochter. Ist dir das klar?!«
»Mir kommen die Tränen.«
»Nein, jetzt nicht!«, jammerte Sascha.
»Wenn wir die Kerle erst mal ins Netz gelockt haben, lässt Herr Bönninghausen das
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