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Der gemietete Mann: Roman (German Edition)

Der gemietete Mann: Roman (German Edition)

Titel: Der gemietete Mann: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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Knabe zur Tür herein, der riesige Pappschilder balancierte.
    »Das ist Maik.«
    »Hallo, Maik.«
    »Oh, süß«, sagte Maik und stupste mein Kind an die Glatze. Paulinchen schmatzte.
    Auf dem ersten Pappschild stand: »Guten Abend, Damen, Herren, laut stat. Umfrage Heiraten wieder in, 85 Prozent, davon 50 Prozent Scheidung nach drei Jahren, prüfe, ewig bindet, altes Ehepaar belauscht, Geheimnis funktionierende Partnerschaft gefragt, altes Ehep. geantwortet: Gehen zweimal pro Woche essen, sie immer dienstags, er immer freitags.«
    Hahaha. Sehr witzig.
    »Kannst des lesn?«, fragte Rolf.
    »Klar«, sagte ich.
    Emil starrte auf das Pappschild. Er verzog keine Miene.
    »Wir haben uns gedacht, die nimmst du für die Erste«, sagte Oda-Gesine von der Tür her. »Die ist einfach zu merken und nett und harmlos und kommt sympathisch rüber. Da nehmen wir gleich Bezug auf deine bisherige Thematik, die Scheidungsrate und so weiter. Das tust jetzt mit’m Rolf mal durchsprechen, dann stoppt ihr’s, und wenn ihr’s auf einer Minute habt, dann ruft ihr oben an.«
    War das etwa bayrisch? Oda-Gesine stammte meines Wissens aus Verden an der Aller! Sie WOLLTE doch keinem Bayern gefallen! Oda-Gesine wallte davon.
    Ich reichte Emil das Paulinchen. Jetzt war harte Arbeit angesagt, da konnte ich nicht gleichzeitig stillen. Paulinchen war sowieso wieder eingeschlafen.
    Sascha steckte derweil andächtig Haarklammern an die Wickler. Da gehn mer hin und tun völlick trendy die Klammern an die Lockenwickler steckn, und denn wirst schon sehn, wie des Haar völlick lockick ausschaut. Und dann gehn mer hin und tun die Locken wieder nauskämmen und mit Gel ganz gradezupfn, und denn siehst’s eh nimmer, dass da Lockn drin warn. Weil Lockn sind mega-out. Und denn schaut’s auch völlick trendy aus, und denn tun mer das hinterm Oa mit’m Kämmchen festklammern. Da sieht eh keiner, dass mer vorher Lockenwickler drinhatten.
    Wir probten die Anmoderation.
    Immer wieder begrüßte ich die Damen und Herren und beteuerte, dass Heiraten absolut in sei, völlick trendy, da gehst hin und heiratest, aber die Hälfte von den fünfundachtzig Prozent, die hingehen und heiraten, gehn auch wieder zurück und lassen sich scheiden, aber dös merkt eh keiner. Ein altes Ehepaar hätt ein Geheimnis für eine lang anhaltende Ehe: Sie würden zweimal in der Woche hingehn und essen gehen. Sie ginge immer dienstags hin und er freitags.
    »Zu lang«, sagte Rolf, der auf seinen Sekundenzeiger geblickt hatte.
    Maik hielt artig das Schild. Emil hielt artig den Säugling. Sascha hielt artig die Hornklämmerchen. Wir waren sehr in unsere Arbeit vertieft. Es machte alles ganz viel Sinn und füllte mich tief innerlich aus und machte mich innen drin völlick glücklick. Aber dös merkte eh keiner.
    Die Tür ging auf, und Oda-Gesine wallte herein. Sie hatte hektische Flecken im Gesicht.
    »Und das ist jetzt ein ganz wichtiger Besuch«, sagte sie aufgeregt, »das ist nämlich jetzt der Herr Bönninghausen von der Firma ›Nesti-Schock‹.« Sie hatte Lippenstift auf den Zähnen. Aha. Für Herrn »Nesti-Schock« hatte sie sich also feingemacht.
    Firma »Nesti-Schock«.
    So sah der Herr Bönninghausen auch aus. Ein Vertreter im grünbeigekarierten Sakko mit einem dieser unvermeidlichen blauweißgestreiften Oberhemden dazu und einer albernen gelben Krawatte mit grünen Giraffen drauf. Sein Kopf war bis auf einige Stoppeln kahlgeschoren. Sein Gesicht hatte die gleiche Frisur. Der lag ja voll im Trend, der Mann! Völlick trendy und ganz natürlick-stoppelick-lässick! Ich begrüßte den wichtigen Herrn Bönninghausen, indem ich mich von meinem Stuhl erhob, soweit das die Trockenhaube zuließ, und ihm fest die Hand drückte, soweit das Sascha zuließ, der inzwischen meine Nägel lackierte. Mit einem völlig unsichtbaren, trendy Nagellack. Dös merkt eh keiner.
    »Na, schon fleißig bei der Arbeit?«, fragte Herr Bönninghausen. Wieso der wichtig war, wollte mir nicht in den Kopf.
    »Ja, die Anmoderation muss auf den Punkt kommen«, sagte Oda-Gesine geflissentlich. Ich hatte an ihr noch nie eine Spur von Demutshaltung gesehen. Aber jetzt nahm sie sie ein. »Karla, kannst du dem Herrn Bönninghausen mal die Anmoderation geben?«
    »Klar, kann ich die dem geben. Aber der Maik kann sie ihm auch geben. Der hält sie doch, und ich sitze gerade unter der Trockenhaube.«
    »Aufsagen sollst!«, zischte Sascha ehrfürchtig.
    Ach so. Na meinetwegen. Ich sagte Herrn Bönninghausen, dass ich ihn

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