Der gemietete Mann: Roman (German Edition)
alle gleich aus, das war das Problem.
Im Studio standen Beleuchter und Kameramänner, die hantierten mit Kabeln und schrien herum und rangierten vor und zurück, und ich drückte Hände und prägte mir Gesichter ein und merkte mir Namen. Manni und Toni und Praxi und Poldi und Michi. Das waren die Kameramänner. Ferdi und Peppi und Traudi und Seppi waren die Beleuchter, die Bayrischen.
»Versuch nie, den Bayern zu gefallen«, hatte mir Oda-Gesine bei unserem letzten Gespräch im Bayrischen Hof eingeschärft. »Zieh niemals ein Dirndl an oder eine Jacke mit Hirschhornknöpfen. Und versuch nie, bayrisch zu sprechen. Dann bist du bei ihnen völlig unten durch.«
Ob Oda-Gesine das schon mal versucht hatte? Den Bayern zu gefallen? Durch lächerliche Äußerlichkeiten doch sicher nicht. Ich jedenfalls war weit davon entfernt, Hirschhornknöpfe an meine Kleidung zu nähen oder mich in ein Dirndl zu zwängen oder bayrisch zu sprechen. Aber ich bedankte mich für ihren wohlgemeinten Rat.
»Die richtig echten Bayern lassen erst mal keinen Saupreuß an sich heran«, hatte Oda-Gesine gesagt. »Aber wenn sie dich in ihr Herz schließen, in ihr krachledernes, dann richtig.«
Ich merkte mir dies wie so vieles andere und speicherte es in meinem Langzeitgedächtnis ab.
Melanie, die bildhübsche Praktikantin, führte mich in die Maske. Dort harrte schon Sascha über tausend Pinseln und Puderquasten und Döschen und Stiften und vielen, vielen Lockenwicklern. O Gott, dachte ich. Wenn ich mich ausgehfertig mache, brauche ich genau drei Minuten. Drei. Mit Haarefönen zehn. Aber dieser Bursche hier sah nicht so aus, als sei er von der schnellen Truppe. Sascha wirkte eher kränklich: Er war mager, bleich, stoppelhaarig, und zwar sowohl auf dem Kopf als auch im Gesicht, hatte einen Rundrücken, vom vielen Bücken wahrscheinlich, und war ganz in Schwarz gekleidet. Auch sein Leibchen endete kurz unter den Brustwarzen. Das war einfach Pflicht, dass man so rumlief in diesen Kreisen. Außer natürlich Oda-Gesine. Die lief so nicht rum. Die konnte sich das dienstgradmäßig leisten.
Sascha reichte mir die schlappe Pfote: »Hallo, Karla, ich bin der Sascha.« Er roch nach kaltem Rauch.
Ich setzte mich in den schwarzen Ledersessel und ließ Sascha gewähren.
Puderquasten und Cremes und Lidstrich und welcher Farbton für die Wangen, und die Augen lassen wir ganz natürlich und tun nur Augentropfen rein, dann gibt’s einen irren Effekt, und ein Stich ins Rosafarbene passt zur Deko, und die Halspartie schattieren wir ganz fließend, und die Haare stylen wir girliemäßig.
Ich unterdrückte ein Gähnen. Irgendwie langweilte mich das ganze Geschwafel um so viel Äußerlichkeiten. Außerdem war ich immerfort müde. Mir fiel auf, dass Sascha zu allem »Da gehn mer hin« sagte. Also: »Da gehn mer hin und tun das überm Hinterkopf toupieren.« Gehn mer, wohin mer wollen, wenn mer dabei ein bisschen schlafen können.
»Du, Karla, ich hab hier mal ’n paar Fotos aus der ›Extravagant‹ ausgeschnitten, da schau amal, also völlick trendy ist das völlick Natürliche, einfach nur mit sanftem Schwung nach hinten übers Ohr ’nüber …«
Sascha beugte sich rauchverquarzt über mich und ließ mich die Girlies in der »Extravagant« schauen.
Emil stand mit dem buntgestreiften Kinderwagen an der Tür. Es tat mir gut, ihm ab und zu mal einen Blick zuzuwerfen. Er war einfach mein einziger Verbündeter. Dass er sich nicht langweilte! Ich wäre niemals freiwillig in so einer Maske stehengeblieben, wenn draußen die Sonne schien!
»Geh doch ein bisschen spazieren, Emil«, sagte ich. »Oder fahr in die Stadt und schau dir München an.«
»Nein, ich bleibe bei dir«, sagte Emil. Und so stand er an der Wand und beobachtete, wie der eifrige Sascha mich modisch beriet. Ich beugte mich interessiert über die Girls, nach deren Erscheinungsbild Sascha mich nun formen wollte.
Die Models in der »Extravagant« waren zwischen vierzehn und achtzehn, blasse, magere Wesen mit übernächtigtem Blick, man konnte meinen, sie wären nachts von ihrem Vater verhauen worden, weil sie nicht rechtzeitig zu Hause waren. Sie lehnten verloren an Hauswänden oder langweilten sich an Bretterzäunen herum, sie hockten spärlich angezogen auf spartanischen Bettkanten oder warteten einsam auf einer hässlichen Kofferkiste an einem stillgelegten Güterbahnhof. Völlig blutleere, leb- und freudlose Geschöpfe waren das. Alle hatten eins gemeinsam: Ihre Haare hingen glatt vom Kopf,
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