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Der gemietete Mann: Roman (German Edition)

Der gemietete Mann: Roman (German Edition)

Titel: Der gemietete Mann: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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mit lila-braun lackierten Fingernägeln und zu stark geschminkten Augen. Sie hatte ein billiges Fellflüdderken und Netzstrümpfe an, dazu riesige Plateausohlen an den Füßen, und kaute geräuschvoll an einem rosa Kaugummi.
    Kind, das wird nie eine Dame. Sie hörte per Kopfhörer laute rhythmische Musik. Dazu wackelte sie im Takt mit den Beinen und knickte mit dem Oberkörper ein.
    »Das ist natürlich auch nur ’ne Strohpickerin«, sagte Oda-Gesine. »Morgen hast du ’ne echte. Die stylen wir dann auch ganz anders. Der Sascha würd so was nie durchgehen lassen.«
    »Und wieso ist die gefesselt und geknebelt?«
    »Damit die AUF KEINEN FALL vorher einem Kandidaten begegnet. Das ist unser OBERSTES GESETZ. Schätzchen, dass das klar ist! Darauf drille ich alle meine sechzig Mitarbeiter.«
    Aha, dachte ich. Erstens: Nougatriegel essen. Zweitens: Picker und Kandidaten voneinander fernhalten. Drittens: Bayrisch reden nur, wenn man Oda-Gesine heißt oder ein Bayer ist.
    »Ja und?«, fragte ich.
    »Du solltest es nur mal sehen. Jetzt gehst halt raus und tust die Pickerin begrüßen.«
    »Wie heißt die?«
    »Ist eh völlig Wurscht, wie die heißt. Ist ja nur ’ne Strohpickerin.«
    »Also nenn ich sie Schand-Tall.« Ich fand, das passte zu der.
    »Mach dir keine Mühe. Der Name steht auf dem Neger.«
    Tatsächlich. Der flinke Maik war inzwischen in die andere Studioecke geflitzt und hielt einen neuen Neger hoch. Darauf stand: »Matthias aus Werningerode!«
    »Aber wie Matthias aus Werningerode sieht die nun gar nicht aus!«, sagte ich verwirrt.
    »Ach so.« Maik klaubte einen zweiten Neger hinter dem ersten hervor. Darauf stand: »Lisa aus Gelsenkirchen!«
    Ich ging bis zu dem Punkt, den sie mir mit Tesafilm auf dem Studioboden markiert hatten, schaute in die Kamera, an der das rote Licht an war, linste auf den Neger und rief: »Hier kommt … LISA AUS GELSENKIRCHEN!!«
    Und tatsächlich. Da kam Schand-Tall aus der Kulisse gelatscht. Ohne allerdings mit dem Kaugummikauen aufzuhören. Na ja. War ja nur ’ne Strohpickerin. Sie hockte sich auf den Schemel, der für sie vorgesehen war, und wiederkäute abwartend vor sich hin.
    »Lisa, was machen Sie beruflich?«, las ich von dem Neger ab.
    »Nix. Strrohkandidatin sein für ›Wörrt-Flörrt‹.«
    »Und was machen Sie in Ihrer Freizeit?«
    »Ich tu gern in die Disco gehn. A bissl abtanzen und so.«
    »Und wie sieht Ihr Traummann aus?«
    »Na, wie Brett Pitt halt«, wiederkäute Schand-Tall.
    »Warum gerade Brett Pitt? Was mögen Sie an dem?«
    »Waißisch net.«
    »Stopp mal, stopp«, kam es aus der Regie. Es war Tanjas Stimme. »Kleinen Moment, ich komm mal raus.«
    Wir warteten. Was mochten wir falsch gemacht haben, Schand-Tall und ich?
    Tanja, eine kleine, schmale Rothaarige, die ihre Tausende von Löckchen wirr auf dem Kopf verteilt trug, ganz ohne trendy Hornklämmerchen, teilte mir mit, dass es nicht erwünscht sei, Bezüge herzustellen.
    »Bezüge? Wozu?«
    »Schau, Karla, du bist jetzt auf die Antwort der Pickerin eingegangen.«
    »Ja. Bin ich. Das tun Moderatoren manchmal.«
    »Schau, in deiner Sendung mit der Scheidung, da konntest du das tun. Da solltest du das sogar tun. Aber hier, bei ›Wört-Flört‹, da haben wir nur vierundzwanzig Minuten, und da müssen wir auf den Punkt kommen. Das heißt, so was wie eine Nachfrage schneide ich raus.«
    »Tut mir leid, das wusste ich nicht.«
    »Tja, und das Problem ist, wenn ich was raus schneide, und du beziehst dich aber später wieder drauf, dann muss ich’s wieder reinfriemeln. Und dann kommen wir nicht mehr auf vierundzwanzig Minuten. Verstehst?«
    »Ich bemühe mich.«
    »Ganz einfach. Keine Bezüge. Niemals auf die Antwort von jemand eingehen. Lass es einfach völlig unkommentiert im Raume stehen.«
    »Und was soll ich dann sagen?«
    »Nix. Einfach vom Neger ablesen, was draufsteht. Verstehst?«
    »Ja. Ich glaube schon.«
    »Gut, dann mach mer das jetzt noch mal.« Tanja wehte mit ihren roten Löckchen wieder in den Regieraum.
    Emil stand im Zuschauerraum und wiegte das Paulinchen in den Armen. Eigentlich war jetzt Stillzeit, aber eine Unterbrechung war beim besten Willen nicht drin. Emil hatte einen Tee zubereitet und gab Paulinchen die Flasche. Er war so umsichtig und aufmerksam!
    »Wiederholt’s jetzt dös einfach noch mal!«, rief Tanja durch den Lautsprecher.
    »Wer ist Ihr Traummann?«, fragte ich die wiederkäuende Schand-Tall.
    »Brett Pitt.« Punkt.
    Ich hätte zu gern gefragt, warum, was hatte dieser

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