Der gemietete Mann: Roman (German Edition)
sehr herzlich begrüße, dass Heiraten ja wieder im Trend liege und dass von den fünfundachtzig Prozent derer, die hingingen und heirateten, sich fünfzig Prozent wieder scheiden ließen. Es gebe aber auch Mittel und Wege, die Ehe über Jahre glücklich zu halten, ein altes Ehepaar gehe immer essen, sie dienstags und er freitags.
»Tja«, sagte ich, als Herr Bönninghausen nicht in schallendes Gelächter ausbrechen wollte. »Ich find’s auch nicht so witzig.«
»Sie hat nicht ›Wört-Flört‹ gesagt«, sagte Herr Bönninghausen zu Oda-Gesine. »Und ›Wört-Flört-Tört‹ erst recht nicht.« Er war gar nicht begeistert, der arme stoppelige Mann.
»Na, das sagt sie natürlich, schreiben wir ihr noch auf den Neger«, beeilte sich Oda-Gesine zu beteuern.
»Ich hab mich jetzt nur bemüht, unter einer Minute zu bleiben, und dass die Sendung ›Wört-Flört‹ heißt, wissen doch alle«, wandte ich ein.
»›Wört-Flört‹ muss unbedingt rein. Besser noch Wört-›Flört-Tört‹«, beharrte Herr Bönninghausen und ging ärgerlich kopfschüttelnd davon. Oda-Gesine warf mir noch einen hilflosen Blick zu und eilte erschrocken hinter dem erzürnten Mann her.
»Was hab ich nur falsch gemacht?«, fragte ich Rolf.
»Das ist der Sponsor der Sendung!«, herrschte Rolf mich an. »Den musst du mit größtem Respekt behandeln!«
»Wie – das lächerliche Männeken mit den Giraffen auf der Krawatte?«
»Na, also der ist der Vertreter der Firma, die unsere Sendung sponsert! Verstehst! ›Wört-Flört-Tört‹! Der Nougatriegel, mit dem wir den Exklusivvertrag haben! Da geht’s um schrecklich viel Geld! Der Mann hat die Macht über zig Millionen Mark!«
»Ach so«, sagte ich, immer noch unbeeindruckt.
»Wir alle sind hier angehalten, Nougatriegel zu essen, weil wir uns mit unserem Sponsor identifizieren sollen«, sagte Sascha sanft über meinen Fingernägeln. »Aber die Einzige, die das seit Jahren macht, ist die Oda-Gesine.«
»Ach was«, sagte ich. »Da wär ich nicht drauf gekommen.«
Emil grinste ganz leicht unter seiner Schirmkappe. Er streckte die Hand aus, griff sich ein »Wört-Flört-Tört« und biss hinein. »Schmeckt voll geil«, sagte er.
»Was machen Sie beruflich?«
»Nix.«
»Wie, nix?«
»Na, i jobb halt bei ›Wörrt-Flörrt‹ und leb ansonsten von Sozialhilfe.«
»Und was machen Sie in Ihrer Freizeit?«
»Nix.«
»Ja, irgendwas müssen Sie doch machen!«
»Na, i häng halt vor der Glotze rum und schlaf ansonsten viel.«
Der ist ja wie Karl, dachte ich entsetzt. Da sieht man, wohin das führt! Ab sofort wird der Bengel in Schulchor und Orchester und Theatergruppe gejagt!
»Wie sieht Ihre Traumfrau aus?«
»Goanet, Hob koane. Zu teia.«
Karl hatte auch keine Traumfrau. Höchstens Frau Prieß. Wegen der vielen aufgezeichneten Sendungen mit der Maus, des Reformhausvollkorntoasts mit Erdbeermarmelade und wegen der vielen griffbereiten Spielsachen, nach denen Frau Prieß sich immer bückte.
Ich hörte auf, von dem Neger abzulesen, den Maik mir aus der Kulisse hielt. Die Worte »Beruf, Freizeit, Traumfrau« konnte ich mir auch so merken.
»Also das find ich jetzt irgendwie blöd«, rief ich gegen den Scheinwerfer, der auf mich gerichtet war. »Warum antwortet der mir denn nicht?«
Oda-Gesine kam herangewallt. Sie mampfte einen Nougatriegel der Firma »Nesti-Schock«.
»Das sind ja. nur Strohkandidaten.« Sie verwehte Schokodunst. »Red halt irgendwas mit denen. Gell, Schätzchen. Wir müssen nur die Positionen abchecken und die Beleuchtung klären und die Kameras justieren und die Zeit stoppen. Mach halt irgendwas. Bist doch an Profi.« Wenn Oda-Gesine busy war, sprach sie ein gar merkwürdiges Bayrisch. Obwohl sie aus Verden an der Aller stammte.
»O.K.«, sagte ich, »dann kann der Maik doch mal die Arme runternehmen.« Armer Maik. Wegen der drei Stichworte »Beruf, Freizeit, Traumfrau« musste er wirklich nicht stundenlang die riesigen Pappschilder halten.
»Jetzt proben wir mal den Pickerauftritt«, ordnete Oda-Gesine an. Sie entkleidete eine neue Nougatschnitte.
»WERNER?!«
»Ja?« meldete sich Werner von irgendwo hinter den Kulissen.
»PICKERIN KLAR?!«
»Pickerin klar!«
»Komma mit«, sagte Oda-Gesine kauend und nahm mich an die Hand. Sie führte mich energisch durch verschiedene Gassen, bis wir an einen einsamen Stuhl im Dunklen kamen. Hier stand Werner, der bullige, glatzköpfige Bodyguard und Sicherheitsbeamte, der die Pickerin bewachte. Auf dem Stuhl saß eine Tussi
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