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Der gemietete Mann: Roman (German Edition)

Der gemietete Mann: Roman (German Edition)

Titel: Der gemietete Mann: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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irgendwas Unverständliches, sehr hoch und sehr schnell, und dann bewegte er sich wieder normal: »Also noch mal, ich bin der Marc und, äh, wie schon gesagt, vierundzwanzig Jahre alt, und, äm, ich studiere, also … was?« Marc wurde wieder angehalten. Beim dämlichsten aller Gesichtsausdrücke blieb er starr und glotzte den Betrachter unbewegt an. Schließlich bewegte er sich wieder. »Also, wie schon gesagt, ich bin immer noch der Marc, immer noch vierundzwanzig Jahre alt und, äm, also ich studiere Jura, aber das weiß ich noch nicht, ob ich das wirklich zu Ende studieren will, und, äh, ich jobbe noch als Türsteher in dieser Disco hier« – er drehte den Kopf weg, um zu zeigen, in welcher Disco hier er sich befand –, »und meine Traumfrau ist natürlich Julia Roberts. Ja. Und ich kann gut Bananenkuchen backen und, äh … ey, hau doch mal ab hier!« Gemeint war irgendein Freak, der blöde durchs Bild gelatscht war. »Ja, äm … wo war ich stehengeblieben?« Marc wurde wieder angehalten. Er verzog sehr schief den Mund und überlegte minutenlang, wo er stehengeblieben war. Dann öffnete er denselben wieder, um dem Betrachter noch mitzuteilen, dass er gern im Medienbereich arbeiten würde, später, irgendwas halt, und dass er noch nicht wisse, was er mit seinem Jurastudium anfangen wolle. Und dass er echt gern Sport treibe. Mucki-Bude und so. Dann verließ uns Marc endgültig.
    »Das Uninteressante haben wir schon rausgeschnitten«, sagte eine Dünne mit fadem Blick, die den Videorecorder bediente. Sie hieß Kim, wie ich mir gemerkt hatte.
    Ich hatte bei einem Gedächtnistraining gelernt, wie man sich Namen merkt. Und Kim war ein ganz besonders bayrischer Name. »Kimm!« heißt ja auch »Komm her!«, und »Kimm eini!« heißt »Komm herein«. Da die fade Dünne jedoch nicht in einem Dirndl steckte und keinerlei Hirschhornknöpfe trug, merkte ich mir »Kim« auch noch an der dünnen Zigarette mit fadem Geschmack. Insofern konnte ich mir »Kim« gut merken. Man sollte sich immer Eselsbrücken bauen, hatte ich beim Gedächtnistrainer Gregor Staub gelernt, als ich noch »Endlich allein« moderierte und mir niemand Namen negerte. Von daher hatte ich auch nie Schwierigkeiten mit dem Namen von Oda-Gesine Malzahn gehabt. Da stellten sich einfach Assoziationen ein.
    »Na, viel Fleisch gibt er nicht«, maulte Oda-Gesine über den umständlichen Marc, der nicht genau wusste, warum er Jura studierte. Sie packte ein »Wört-Flört-Tört« aus und schob es sich in den Mund. Die dünne, fade Kim schnellte nach vorn, um das nächste Video einzulegen. Die Anderen rauchten.
    Und dann kam der nächste Kopf, der auch in der Disco war und gegen den Lärm anschrie, und auch er wurde angehalten und zurückgespult und wusste noch nicht so recht, was er beruflich machen wollte, aber seine Traumfrau, das wusste er, sah aus wie Julia Roberts. Er hatte einen hessischen Akzent, weshalb er Tschulja Rrobätts sagte. Und seine Freizeit verbrachte er in der Muggi-Bude, das war ihm schon äscht wischtisch.
    Nach vier, fünf Köpfen, die alle gleich aussahen und das Gleiche sagten und alle noch nicht wussten, was sie beruflich machen wollten, und deren Traumfrau Julia Roberts hieß und die nachmittags in der Mucki-Bude waren, weil ihnen das echt wichtig war, schaltete Kim das Video aus. »Das wären die Kerls für heute«, sagte sie.
    »Ist aber kein Heuler bei«, sagte Oda-Gesine kauend.
    »Lernt die erst mal kennen«, ereiferte sich Kim. »Sind alle total cool drauf und tauen dann auf, wenn die Karla die erst mal geknackt hat.«
    Ich fürchtete mich davor, die coolen Kerls zu knacken, und hatte plötzlich schleichende Panik, dass mir das nicht gelingen würde. Ich konnte ja schon meinen eigenen Sohn nicht knacken, und der ging NICHT MAL in die Mucki-Bude! Der ließ Frau Prieß sich bewegen! Ach, ach, ach!
    »Wollt ihr die Mädels auch sehen?« Kim schob stolz wieder eine Videokassette rein. »Da sind ein paar klasse Heftchen dabei!« Heftchen waren Mädchen, das hatte ich auch schon gelernt.
    Von draußen hörte ich mein Baby schreien.
    Ich sprang auf, zwängte mich aus den Stuhlreihen und rannte hinüber in Emils Garderobe. Der süße, aufmerksame Maik hatte mit Hilfe seiner Filzstifte einen Storch an die Zimmertür gemalt und »Psst! Baby!« dazugeschrieben.
    Emil trug das Paulinchen sehr behutsam im Arm. »Ich wollte gerade zu dir kommen«, sagte er.
    »Nee, in den verrauchten, engen Raum schleppst du mir mein Paulinchen nicht

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