Der General und das Mädchen
Heidemarie. Die hat das Ding noch von ihrem ersten Macker gehabt, der damit mal Kioske ausgenommen hat. Muß an die zehn Jahre her sein.«
»Hauptsache, das Ding ist nicht eingerostet.«
»Du bist echt cool. Komm mit, wir müssen hier rechts rein.« Sie bog in einen offenen Torweg ein, in dem es stockfinster war.
Mir war ziemlich mulmig zumute, aber unbehelligt gelangten wir in einen alten, gepflasterten Hinterhof, dessen Rückfront von einem heruntergekommenen, zweistöckigen Lagerhaus begrenzt wurde. Zwischen den Stockwerken konnte man im Schein einer matten Außenlampe noch verwaschen weiß die Inschrift >Koks und Kohlen< lesen. Moni ging mit kleinen, zielstrebigen Schritten auf eine Eisentreppe zu und klapperte hinauf. Nichts wies darauf hin, daß hier ein Mensch wohnte.
Sie schloß eine gutgeölte Eisentür auf und hinter mir wieder ab. Es ging in eine riesige Halle, in der absolut nichts war. In einer Ecke führte eine eiserne Wendeltreppe nach oben. Als wir hinaufstiegen, hallten unsere Schritte ungeheuer laut durch die leere Halle. Oben ließ sie mich vorgehen. Ich stand in einem sehr langen, spärlich erleuchteten Gang, von dem eine Reihe eisenbeschlagener Türen abgingen.
»Willst du ins Studio oder in die Küche?«
»Ins Studio«, entschied ich aufs Geratewohl.
»Dritte rechts, warte, ich schließe auf. Dimmer sind links neben der Tür. Ich zieh' mir nur was anderes an. Getränke sind auf dem Barwagen.« Ihre Stimme war die einer Geschäftsfrau.
»Wer ist denn auf die Idee gekommen, hier eine Wohnung einzurichten?« fragte ich verblüfft.
»Jonny. Er sagte, erstens braucht eine Frau wie ich so was, und zweitens gibt es hier keine Neugierigen.« Sie strich an mir vorbei und verschwand.
Ich öffnete die Tür, fand den Dimmer und drehte daran. Das Licht kam aus allen Richtungen, von oben, von unten, und strahlte farbig und indirekt. Direkt neben dem Dimmer hing in einem kleinen barocken Plastik-rähmchen ein Spruch von Tagore: >Ich schlief und träumte, das Leben wäre Freude. Ich erwachte und sah, das Leben ist Pflicht. Ich handelte, und siehe, die Pflicht war Freude.< Das ganze in alten gotischen Lettern.
Die Einrichtung bestand aus einem großen, runden Bett, das vollkommen von einem Hirtenteppich bedeckt war, darüber hing an der Decke ein Spiegel, der genausogroß war wie das Bett. Dazu gab es drei rote, plüschbezogene Sessel, und an den Wänden waren Tüllgardinen kunstvoll drapiert, durch die hier und da kleine rote, blaue und grüne Spots stachen. In der Ecke zur Rechten gab es eine Vertiefung im Boden, zwei mal zwei Meter groß. Eine Badewanne, sogar mit Whirlpool. Mit dem Drehen des Dimmers hatte sich zugleich ein Bandgerät eingeschaltet. Mantovani klang auf, dann >Strangers in the Night<, dann ihre Stimme, die leise und aufreizend mahnte: »Entspanne dich, vergiß deine Familie, vergiß deinen Streß, deine Konten. Versuch einfach alles zu vergessen. Bei mir hier gibt es keinen Alltag.«
Lautlos kam sie herein. Sie trug nichts als einen winzigen weißen Slip unter einem weißen Seidenmantel. Sie war sogar ausgesprochen schön ohne Schminke, ein Mensch zwischen Frau und Mädchen, wunderbar einfach
und sehr lebendig. Sie warf sich bäuchlings auf das Bett und fragte: »Was machen wir denn eigentlich, wenn doch Carlo den General umgenietet hat?«
»Wer hat dir überhaupt gesagt, daß der General umgenietet worden ist?«
»Na, Jonny natürlich«, meinte sie irritiert.
Ich mußte mich vorsehen.
»Er mußte mir das doch sagen, damit nicht irgendeiner auftauchen und mich ausnehmen kann, bloß weil ich keine Ahnung habe, was gelaufen ist.«
»Richtig von Jonny«, lobte ich. »War Carlo sehr heiß auf den General?«
»Kann man eigentlich nicht sagen. Natürlich, er wollte da was machen. Er sagte, irgendwer müsse den alten Mann ja zur Vernunft bringen. Nein, so richtig heiß war er auf den nicht. Ihm ging es wie mir: Wenn du den General ein bißchen kennst, magst du ihn. Kann ja aber trotzdem sein, daß Carlo ausflippte und den Alten umlegte, oder?«
»Könnte sein. Mit welchen Ergebnissen ist Carlo denn vom General zurückgekommen?«
»Weiß ich nicht genau, ich habe nur das Kabel gelegt.«
»Na gut. Du bist eine kluge Frau. Du mußt doch geschnallt haben, ob Carlo auf den General angesprungen ist oder nicht.«
»Na sicher. Alles fing an, als Carlo mich malen wollte. Da in diesem alten Munilager
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