Der Genesis-Plan SIGMA Force
Gray sogar Dübel aus, die früher einmal Blumenkästen gehalten hatten.
Er überlegte, wie man die ursprüngliche Pracht des Hauses wiederherstellen könnte, und baute es in seinem Kopf nach, eine geistige Übung, die ebenso viel handwerkliches Geschick wie Sinn für Ästhetik erforderte.
Er meinte beinahe, den Geruch des Sägemehls zu schnuppern.
Dieser Gedanke verdarb ihm den Tagtraum. Andere Erinnerungen drängten sich ungebeten in den Vordergrund: die Garagenwerkstatt, in der er seinem Vater nach der Schule zur Hand gegangen war. Was zumeist als ein einfaches Renovierungsvorhaben begann, endete häufig in lautem Geschrei und Beleidigungen, die zu grob waren, als dass man sie so ohne Weiteres hätte zurücknehmen können. Die ständigen Streitereien hatten Gray irgendwann von der Highschool zum Militär wechseln lassen. Erst vor kurzem hatten Vater und Sohn eine neue Verständigungsbasis entdeckt und gelernt, sich mit den vorhandenen Gegensätzen zu arrangieren.
Trotzdem ging Gray eine beiläufige Bemerkung seiner Mutter nach. Sie hatte gemeint, die Ähnlichkeiten zwischen Vater und Sohn wären größer als die Gegensätze. Warum machte ihm das immer noch zu schaffen? Gray schob den Gedanken beiseite.
In seiner Konzentration gestört, sah er auf die Uhr. Er konnte es gar nicht mehr erwarten, dass es losging. Den Auktionsort hatte er bereits in Augenschein genommen und am Vorder- und Hintereingang je eine Kamera installiert. Jetzt brauchte er nur noch mit dem Ladenbesitzer über die Bibel zu sprechen und ein paar Fotos von den Hauptakteuren zu machen – dann war er fertig, und vor ihm lag ein langes Wochenende mit Rachel.
Ein Lächeln trug dazu bei, die Verspannung zu lösen, die sich zwischen seinen Schulterblättern aufgebaut hatte.
Endlich bimmelte an der anderen Straßenseite ein Glöckchen. Die Ladentür ging auf, und das Fallgitter hob sich.
Gray straffte sich, denn er war neugierig, wer den Laden geöffnet hatte. Ein schwarzer Zopf, mokkafarbene Haut, große, mandelförmige Augen. Das war die Frau, die ihn zuvor verfolgt hatte. Sie trug noch immer die Trainingsjacke und hatte auch noch den grünen, zerschlissenen Rucksack geschultert.
Gray fischte ein paar Geldscheine aus der Tasche und legte sie auf den Tisch, froh darüber, sich wieder der Arbeit zuwenden zu können.
Als er die schmale Straße überquerte, ließ die junge Frau gerade das Fallgitter einrasten. Sie sah ihm entgegen, ohne überrascht zu wirken.
»Lassen Sie mich mal raten«, sagte sie in flottem Englisch mit leicht britischem Akzent. Sie musterte ihn von oben bis unten. »Amerikaner.«
Er runzelte die Stirn. Er hatte kein Wort gesagt. Gleichwohl setzte er eine neugierige Miene auf und tat so, als wüsste er nicht, dass sie ihm nachgegangen war. »Wie kommen Sie darauf?«
»Ihr Gang. Die Art, wie Sie das Kreuz durchdrücken. Das sagt schon alles.«
»Ach, wirklich?«
Sie sicherte das Fallgitter mit einem Vorhängeschloss. An der Jacke trug sie mehrere Anstecker: eine regenbogenfarbene Greenpeace-Fahne, ein keltisches Symbol aus Silber, ein goldenes ägyptisches Ankh-Zeichen und verschiedene Sticker mit dänischen und englischen Slogans wie zum Beispiel Lasst die Lemminge frei . Außerdem trug sie ein weißes Gummiarmband mit dem Aufdruck Hope .
Sie scheuchte ihn aus dem Weg und rempelte ihn an, als er nicht schnell genug auswich. Rückwärts trat sie auf die Straße. »Der Laden öffnet erst in einer Stunde. Tut mir leid, Kumpel.«
Gray stand auf der Schwelle, sein Blick wanderte zwischen der Ladentür und der jungen Frau hin und her. Sie ging über die Straße und wandte sich zum Café. Als sie an dem Tisch vorbeikam, an dem Gray gesessen hatte, steckte sie unauffällig einen der Geldscheine ein und ging dann nach drinnen. Gray wartete. Durchs Fenster beobachtete er, wie sie zwei große Becher Kaffee bestellte und mit der gestohlenen Geldnote zahlte.
In jeder Hand einen Styroporbecher, kam sie zurück.
»Noch immer da?«, sagte sie.
»Weiß nicht, wo ich sonst hinsoll.«
»Wie traurig.« Die junge Frau wies mit dem Kinn auf die geschlossene Tür und hob beide Hände. »Worauf warten Sie noch?«
»Oh.« Gray drehte sich um und machte ihr die Tür auf.
Sie trat ins Haus. »Bertal!«, rief sie – dann drehte sie sich zu Gray um. »Kommen Sie jetzt rein oder nicht?«
»Aber Sie haben doch gemeint …«
»Verdammt.« Sie verdrehte die Augen. »Schluss mit dem Theater. Als ob Sie mich nicht schon gesehen
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