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Der Genitiv ist dem Streber sein Sex • und andere Erkenntnisse aus meinem Leben 2.0

Der Genitiv ist dem Streber sein Sex • und andere Erkenntnisse aus meinem Leben 2.0

Titel: Der Genitiv ist dem Streber sein Sex • und andere Erkenntnisse aus meinem Leben 2.0 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Barth
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ganze Prozedur ging über ein halbes Jahr, und ich bekam nach jeder Sitzung einen spektakulären Allergieschub, der mein Gesicht in eine pulsierende Mars-Landschaft verwandelte. Auch danach hat sich mein Gesundheitszustand in keiner Weise verbessert. Aber meinen Zahnarzt machte das Ganze zu einem reichen Mann.
    Irgendwann hat mir ein Kieferorthopäde empfohlen, mal über eine feste Zahnspange nachzudenken. Ich habe mich dann vor den Spiegel gestellt und zu meinen Zähnen gesagt: «Passt auf, folgender Vorschlag: Ich erspare euch den Draht-Gartenzaun mit den Mett-Resten und den gelben Schmodder-Umrandungen, dafür lasst ihr mich einfach in Ruhe, bleibt, wo ihr seid, und baut keine Karies oder sonstigen Scheiß. Deal?» Sie waren sofort einverstanden. Ich suchte mir einen älteren Zahnarzt, der nicht mehr besonders gut sah, sein Haus schon abbezahlt hatte und feste Zahnspangen, Röntgenbilder und elektrische Zahnbürsten für Hexenwerk hielt. Der beugte sich dann alle halbe Jahre über mein Gebiss, nuschelte: «Schöne Zähne … Sehr schöne Zähne … Und gut gepflegt … In sechs Monaten wieder», und schickte mich nach Hause. Dr. Feelgood und ich waren dicke Freunde.
     
    Doch dann eröffnete im Erdgeschoss meines Wohnhauses eine neue Zahnarztpraxis, und plötzlich stand ich vor der Entscheidung: Radel ich durch die ganze Stadt zu meinem halbblinden Nuscheldoktor, oder geh ich einfach drei Stockwerke tiefer? Ich dachte zwei Sekunden intensiv nach und vereinbarte dann einen Termin in der neuen Praxis. Irgendwie fand ich es auch mal schön, in einem nagelneuen Wartezimmer neben einem asiatischen Zimmerbrunnen zu sitzen und die neueste «Men’s Health» zu lesen, statt unter röhrenden Hirschen in einem 1981er Spiegel zu blättern. Als dann aber die Behandlung losging, war ich mir plötzlich nicht mehr sicher, ob ich wirklich beim Zahnarzt war oder bei Pit-Stop.
    «Eieiei», sagte mein neuer Doktor, als er in meinen Mund schaute, und schüttelte den Kopf, wie es sonst nur Automechaniker beim Öffnen der Kühlerhaube tun.
    «Da war aber jemand länger nicht mehr bei der Untersuchung, oder?» Er stemmte die Arme in die Hüften, als überlege er, wo er als Erstes das Brecheisen ansetzen solle.
    «Baut jetzt keinen Scheiß», raunte ich meinen Zähnen zu.
    «Keine Ahnung, wovon der spricht!», raunten sie zurück.
    Der übermotivierte Dental-Mechaniker drückte mir eine rote Tablette in den Mund: «Lutschen Sie die mal!»
    Zwei Minuten später zeigt er mir meine Zähne im Spiegel: «Schauen Sie: alles rot! Das sind gefährliche Beläge. Sie putzen anscheinend nicht richtig. Und mit dem Zahnstein, den Sie da haben, könnte man den Grand Canyon zuschütten. Das muss alles weg.»
    Er gab seiner Arzthelferin einen Wink, setzte einen Mundschutz auf, griff zu seinem Werkzeug und begann mit einer Prozedur, die man kaum noch als medizinische Behandlung bezeichnen kann. Haben Sie mal gesehen, wie eine Landgasthof-Köchin im Bayerischen Fernsehen einen Strudelteig knetet, schlägt und durch die Luft wirbelt? Ungefähr so war das, nur mit mir als Strudelteig.
    Als er fertig war, drückte er mir eine elektrische Zahnbürste in die nassgeschwitzte Hand: «Damit sollten Sie in Zukunft Ihre Zähne putzen. Zahnseide nehmen Sie hoffentlich sowieso. Und in vier Wochen kommen Sie wieder. Vielleicht können wir ja noch was retten.»
     
    Zu Hause stellte ich mich vor den Spiegel. Ich sah aus, als hätte man den Feierabend-Verkehr vom Kamener Kreuz auf mein Gesicht umgeleitet.
    «Was ist los mit euch?», fragte ich meine Zähne. «Ich dachte, wir haben einen Deal?»
    «Haben wir auch! Der Zahnstein lag da schon seit Jahren rum und hat Dr.Feelgood nie gestört!», antworteten sie.
    «Und die Verfärbungen?»
    «Ach, scheiß doch auf die Verfärbungen! Wenn du ein Osterei mit ’ner Färbetablette in einen Topf wirfst, wird es auch rot. Deswegen heißen die Dinger ja
Färbe
tabletten!»
    Ich atmete tief durch. Dann nahm ich die elektrische Zahnbürste und fing an zu schrubben.
     
    Einen Monat später schaute ich wieder in das enttäuschte Gesicht meines Zahnarztes: «Da hat sich aber schon wieder ordentlich Zahnstein angesammelt, was?»
    Ich wollte antworten, doch er zog mir energisch den Kiefer auseinander und sagte: «Offen lassen!»
    Dann: «Beläge sind auch schon wieder da!» So wie er es sagte, konnte ich nicht anders, als ein schuldbewusstes «Hut hir leid!» zu hauchen.
    Er schüttelte unwirsch den Kopf und griff zu einem

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