Der Gentleman
›Zur Post‹. Tagsüber werde ich dich noch besuchen.«
»Gut. – Nur einen Wunsch habe ich noch.«
»Er ist bereits erfüllt.«
»Ich möchte dich immer bei mir haben, überall, wo ich bin. Ich bitte dich deshalb, eine Maske von dir abnehmen zu dürfen – die Totenmaske eines Lebenden, als Symbol vom Sterben unserer Sehnsucht und unserer Träume.«
Robert Sorant nickte. Lucia, seine Lucia sollte alles bekommen, was sie sich wünschte; er wollte ihr alles gewähren, was in ihren Augen als Wunsch schimmerte – und wenn es der nach einer Totenmaske war.
Robert hatte keine Ahnung, was ihm damit bevorstand. Eine solche Maske – aus Gips – wird schnell abgenommen sein, dachte er sich.
Robert Sorant hatte keinen Schimmer, wie sich Gips auf einem lebenden Gesicht anfühlt – nasser, klebriger Gips.
Als der Abend kam, war alles zur Herstellung der Totenmaske vorbereitet. Über die Badewanne hatte Lucia einige Bretter gelegt, und Robert saß mit entblößter Brust – nur mit einer alten Hose bekleidet – auf einem Stuhl und fettete auf Lucias Geheiß Gesicht, die Stirn und das Schläfenhaar dick mit Öl ein, während sie in einem Eimer eine Portion Zahngips anrührte und grauen Ton kräftig durchknetete. Dann legte sich Robert auf die Bretter, breitete ein Handtuch auf seiner behaarten Brust aus, und während er noch Lucia mit ermahnenden Worten bat, ihn nicht einen Erstickungstod sterben zu lassen, bettete sie schon seinen Kopf bis zu den Ohren in die graue, feuchtkalte Tonmasse, so daß nur noch das Gesicht herausragte, fettglänzend und lächelnd.
»Was kommt jetzt?« wollte Robert wissen und fühlte sich wie in den Ton eingemauert.
»Jetzt wird gegipst. Du bekommst ein Röhrchen in die Nasenlöcher, damit du atmen kannst, und dann lasse ich die Masse abfließen.«
Da wurde ihm nun doch etwas mulmig.
»Das ganze Gesicht kommt unter Gips?«
»Natürlich.«
»Der Mund auch?«
»Der ist ja fast die Hauptsache.«
»Und die Nase?«
»Kann auch nicht verschont werden, doch du wirst durch das Röhrchen, das ich dir schon angekündigt habe, ausreichend Luft bekommen. Ich will dich doch nicht umbringen, mein Liebling. Länger als drei, höchstens fünf Minuten dauert es nicht, dann ist der Gips hart, und ich kann die Puddingform abklopfen.«
Sorant blinzelte Lucia an.
»Abklopfen willst du auch noch?«
»Muß ich ja.«
»Und wenn du das Röhrchen mit vollgipst?«
»Dann läßt sich dein Dahinscheiden nicht vermeiden«, spaßte Lucia. »Aber ich werde an deinem Grab sehr weinen, und die Totenmaske kommt auf deinen Grabstein.«
Robert antwortete auf diesen Scherz, der ihm etwas hart erschien, nichts mehr, sondern schwor sich, beim ersten Anzeichen von Atemnot aufzuspringen und sich den Gips einfach vom Gesicht zu reißen.
Er ließ sich danach geduldig ein Röhrchen in die Nase stecken und die Nasenlöcher mit Ton verkitten, preßte dann die Lippen fest aufeinander, schloß die Augen, hatte ein flaues Gefühl im Magen, und da rieselte es auch schon auf sein Gesicht – Gips, nasser, flüssiger Gips, der in alle Falten der Haut floß, sich festsetzte und wie ein Panzer den Kopf umschloß. Roberts flaues Gefühl steigerte sich zur Beklemmung. Schicht auf Schicht rieselte der Gips auf ihn herab. Seine Brust hob und senkte sich immer schneller. Schnaubend sog er durch das Röhrchen Luft ein und trommelte nervös mit den Fingern auf die Bretter.
Verdammt – er hatte Angst, gemeine Angst, daß ihm etwas passieren könnte.
Tief wollte Sorant einatmen. Wie eine dicke Platte lag der Gips auf seinem Gesicht. Da – was war das? Die Luft blieb weg! Das Röhrchen war verstopft! … Hilfe! … Die Beine zuckten, die Arme schlugen um sich … Luft! … Luft! … Man erstickt ja!
Mit einem wilden Ruck richtete sich Sorant auf und riß an der festen Gipsmaske. Unendlich erleichtert spürte er einen frischen Luftzug, den er gierig in sich einsog. Unter dem Kinn hatte sich die Maske gelöst, aber an den Wimpern, an den Augenbrauen und den Stirn- und Schläfenhaaren saß sie fest.
Entsetzt sprang Lucia hinzu.
»Geht sie nicht ab?«
»Nein, die Haare sind festgegipst.«
»Lieber Himmel! Du hast sie nicht genügend eingefettet!«
Robert wollte nicht wissen, was er nicht getan hatte, sondern was er tun sollte.
»Runter mit dem verdammten Ding!« schimpfte er. »Das ist deine Aufgabe. Du hast's mir draufgemacht, sieh zu, daß du mich jetzt auch wieder davon befreist.«
Lucia setzte sich auf den Rand der Badewanne
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