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Der Gentleman

Der Gentleman

Titel: Der Gentleman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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du gut?«
    »Was ist denn los?« antwortete er etwas verstört.
    Lucia nahm neben ihm Platz, kramte in ihrer Tasche – einer sehr großen Tasche, die sie heute dabei hatte –, brachte Zeichenutensilien zum Vorschein und sagte: »Nun erklärst du mir den ersten Bühnenbildentwurf, den du von mir erwartest. Ich will danach eine Skizze anfertigen. Wir beide wollen darin eine Probearbeit sehen, gewissermaßen ein Probebühnenbild.«
    Und los ging's.
    Nach einer knappen halben Stunde hatte Lucia Jürgens ihre Skizze fertig und wollte sie Robert reichen, der aber gerade mit einem Grashalm einen Käfer ärgerte. Der kleine Kerl versuchte einen großen Stein zu erklettern; immer jedoch, wenn er fast den Gipfel erklommen hatte, kam der Grashalm und fegte ihn zurück in die Tiefe. Sorant stellte sich vor, wie der Käfer jetzt in seiner Käfersprache über die Menschen schimpfte und sich schwor, jeden derselben, den er in Zukunft im Gras schlafend vorfinden würde, kräftig zu beißen. Und weil Sorant es so köstlich fand, die Wut des Käfers anzuheizen, bis dieser seinen ›Götz von Berlichingen‹ im Käferdialekt knirschte, begann er nun, ihn am Kopf mit dem Halm zu kitzeln. Die Fantasie ging wieder einmal mit Robert Sorant durch, und als Experte für ausgefallene Dinge fantasierte er sich in seinem einfallsprallen Geist eine Unterhaltung zusammen, die heute abend der Käfervater mit der Käfermutter wohl führen mochte – eine Unterhaltung über den Unverstand und die Erziehung der Menschen.
    So bemerkte er auch nicht gleich das Skizzenblatt, das ihm Lucia Jürgens hinhielt; und erst, als sich Lucia bückte, das Käferlein auf den Stein setzte und mit der Fingerspitze über seinen blanken braunen Chitinpanzer fuhr, ganz vorsichtig, ganz zart, wurde Sorant aus seinen Gedanken gerissen und blickte auf.
    »Hat das Kind im Manne genug gespielt?« lachte sie ihn an.
    »Ja«, nickte er ein bißchen verlegen.
    »Dann könntest du dir ja meine Skizze ansehen.«
    Er nahm das Blatt, betrachtete es, zog die Stirn in Falten. So sah man wenigstens, daß er sich konzentrierte.
    Längere Zeit war nichts zu hören. In Lucia sank der Mut.
    »Verwirf sie nicht ganz«, bat sie zaghaft.
    »Mein liebes Kind«, setzte Robert zu einer wichtigen kleinen Rede an, verstummte aber wieder; eine pietätlose Krähe schickte nämlich ganz in der Nähe auf dem Ast einer einzelstehenden Fichte zwei, drei schreckliche Krächzer in die Atmosphäre.
    Vom anderen Ufer drang das Rauschen des kleinen Wasserfalls herüber.
    Lucia Jürgens war gespannt wie ein neuer Regenschirm.
    Endlich rückte Sorant mit seinem Urteil heraus.
    »Gut«, sagte er nur, nichts weiter als: »Gut.«
    Da fuhr Lucia auf ihn los: »Ist das alles? Du mußt schon deutlicher werden, statt mit Käfern zu spielen!«
    Sorant blieb ruhig und blickte sie gelassen an.
    »Du kannst zufrieden sein, mein Kind. Die Skizze ist wirklich gut, sogar ausgezeichnet. Hervorragend in der Raumaufteilung. Und dabei sagtest du, du könntest das nicht. Du bist verrückt, entschuldige.«
    Lucia blickte ihn immer noch zweifelnd an. Ihre Locken bewegten sich leise im Wind.
    »Sagst du das nicht nur, weil du mich magst?«
    »Du meinst, so als leeres Kompliment?«
    »Ja.«
    Er schüttelte verneinend den Kopf.
    »Komplimente liegen mir nicht. Ich lehne sie sogar ab. In solchen Dingen bin ich jedenfalls hundertprozentig ehrlich.«
    »Ja, in solchen Dingen bist du es vielleicht.« Dabei legte sie auf ›solchen‹ eine dicke Schicht Ironie. Wieder dachte sie an den Buchhändler, während Sorant selbst an den ganzen Komponisten Heinz Robs dachte.
    Die Krähe krächzte erneut, eine zweite flog herbei und machte der ersten den Platz auf dem Ast streitig.
    Plötzlich fühlte Robert in der Magengegend ein altbekanntes Rumoren. Ein innerer Ton, ein knurrender, wurde vernehmbar. Auch Lucia hatte ihn gehört und blickte Robert erstaunt an.
    Der wehrte mit beiden Händen ab.
    »Das war nicht das, was du meinst. Das kam vom Magen.«
    »Hast du Hunger?«
    »Keinen kleinen, kann ich dir sagen.«
    »Wie denn das?«
    »Weil ich seit gestern abend nichts mehr gegessen habe.«
    Lucia schüttelte vorwurfsvoll den Kopf.
    »Du hast nichts gefrühstückt?«
    »Nein, das war mir nicht möglich.«
    »Warum nicht? Ist der Service im Hotel so schlecht? Das wär' mir aber neu von der ›Post‹.«
    »Mit dem Service hat das nichts zu tun. Ich habe noch geschlafen.«
    »Und mittags?«
    »Dasselbe. Ging's dir nicht auch so?«
    »Mich hat der

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