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Der Gentleman

Der Gentleman

Titel: Der Gentleman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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um die eingestellte Zeit zu läuten. Dann schlief Robert Sorant selig durch, bis er von selbst aufwachte, mordsmäßig fluchte, den Wecker mit schrecklichen Drohungen, ihn in die Ecke zu werfen, überschüttete – und ihn dann doch wieder ein- und beim nächstenmal erneut auspackte.
    Als Robert sich heute im quietschenden Bett herumwälzte und verstört aufwachte, zeigte der Wecker still und vergnügt 14.30 Uhr an.
    Um 13.00 Uhr hätte er läuten sollen.
    Ab 15.00 Uhr wartete Lucia im Café Schuh.
    Aber um 14.30 Uhr wachte Robert, wie gesagt, erst auf.
    Er war nicht gewaschen.
    War nicht rasiert.
    War hungrig wie ein Wolf.
    Und hätte überhaupt am liebsten alles in der Luft zerrissen, als erstes den verdammten Wecker.
    Mit einem verzweifelten Satz sprang Robert Sorant aus dem Bett und ließ wütend Wasser ins Becken laufen.
    Unter Flüchen rasierte er sich.
    Zur gleichen Begleitmusik kämmte er sich.
    Ein Schnürsenkel zerriß – da läutete der Wecker.
    Robert Sorants Kragen platzte – symbolisch. Roberts Hand ergriff den Wecker und knallte ihn unters Bett, doch der alte Veteran einer Uhrenfirma, die es längst nicht mehr gab, bimmelte weiter. Er war im Lauf der Jahre bei seinem Herrn zäh geworden.
    Dann endlich, zwei Minuten vor 15.00 Uhr, stürmte Sorant aus seinem Zimmer, vorbei an der Kammer des Stubenmädchens, hinaus aus dem Hotel, hinüber zum Café Schuh.
    Die Turmuhr der nahen Kirche schlug dreimal. Robert Sorant, der sonst nachlässige, ewig unpünktliche Robert Sorant, war zum erstenmal in seinem Leben pünktlich.
    Aber es war ja auch Frühling, Frühling in Altenbach, Frühling mit Lucia …
    Im Café Schuh saß in dem hellen, luftigen, geschmackvollen Raum der ersten Etage ganz hinten am rechten Fenster schon Lucia und hatte sich eine gefüllte Waffel bestellt. Sie trug wieder das Gelbseidene von gestern, hatte die Locken zur Abwechslung rund um die Schultern gelegt, und sie sah süß aus – einfach süß.
    Sorant zwängte sich durch die Tische hindurch und setzte sich neben sie auf den freien Stuhl.
    »Bin ich nicht pünktlich? Glockenschlag drei Uhr. Das kenne ich nicht anders.«
    »Schön von dir. Wie machst du das?«
    »Ich habe einen sehr zuverlässigen Wecker. Schon mein Großvater mütterlicherseits baute auf ihn.«
    »Mein Wecker ist der Rasenmäher eines pensionierten Landgerichtsdirektors in unserer Nachbarschaft.«
    »Hat er seine festen Zeiten?«
    »Nicht immer, das ist das Ungewisse dabei. Heute aber setzte er Punkt 14.00 Uhr ein; insofern hatte ich Glück.«
    »Das also bescherte dir den Zeitvorsprung vor mir. Wartest du schon länger hier?«
    »Ein paar Minuten.«
    »Wie hast du geschlafen?«
    »Wie ein Murmeltier. Und du?«
    »Gar nicht gut. Das ist eben der Unterschied zwischen uns Männern und euch Frauen.«
    Lucia, die gerade ein Stück Waffel zum Mund führen wollte, ließ die Hand wieder sinken.
    »Wie meinst du das?«
    »Wenn ein Mann liebt, findet er keine Ruhe. Eine Frau hingegen haut sich aufs Ohr, vergißt alles und hat, wenn sie wieder aufwacht, Mühe, sich überhaupt daran zu erinnern, daß da einer war, den sie geküßt hat.«
    Lucia wußte momentan nicht, was sie darauf sagen sollte. Der Mund blieb ihr kurz offenstehen.
    Dann legte sie aber los: »Du gemeiner Mensch, du! Ausgerechnet mir sagst du das! Ich weiß genau, daß es mir nicht mehr gelingen wird, dich mir aus meinem Herzen zu reißen!«
    Sie schlug ihm dabei liebevoll auf die Hand, mit der er nach der Getränkekarte greifen wollte.
    Er grinste.
    »Was soll ich mir bestellen?« fragte er rasch.
    »Kaffee«, schlug sie vor, auf die Tasse, die sie vor sich stehen hatte, weisend. »Er ist gut.«
    »Lieber ein Bier«, entschied er sich, bereute dies dann aber rasch, denn das Pils, das man ihm brachte, war warm. Kaffeehauswarm.
    Als er sich mühte, den Ärger darüber im stillen hinunterzuschlucken, fragte Lucia ihn: »Woran denkst du?«
    »An München.«
    »An was speziell? München ist groß.«
    »Rate mal.«
    »An eine Frau dort.«
    »Nein«, lachte er. »Ich bin kein Don Juan, der überall Freundinnen sitzen hat.«
    »Ans Nationaltheater?«
    »Nein.«
    »An ein Museum?«
    »Auch nicht.«
    »Woran dann?«
    »Ans Hofbräuhaus mit seinem herrlichen kühlen Bier.«
    Alles, was Lucia dazu zu sagen hatte, war: »Du Banause!«
    Roberts Blick, den er auf sein Glas mit dem Pils richtete, war so voller Anklage, daß Lucia laut auflachte und ihm mit der Hand durch die Haare fuhr. Die Leute an den anderen Tischen –

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