Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Gentleman

Der Gentleman

Titel: Der Gentleman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
zumeist älteren Kalibers – wurden aufmerksam. Zwei Damen, denen schon vor Jahrzehnten die Männer entlaufen waren, fühlten sich besonders indigniert. Für Liebe hatten sie nichts mehr übrig. »Sieh dir die beiden an«, flüsterte die eine der anderen zu. »Die verwechseln den Raum hier wohl mit ihrem Schlafzimmer. Ein Benehmen ist das – skandalös!«
    »Früher«, antwortete die Freundin, »wäre das unmöglich gewesen. Mein Vater – du weißt, er war Stadtdirektor – hätte nicht gezögert, mich noch im Erwachsenenalter mit harter Hand zu züchtigen, wenn ich es auch nur einmal gewagt hätte, allein, ohne Begleitung, ein Lokal zu betreten – so wie vorhin diese Person dort drüben! Siehst du, jetzt muß sie ihm ihren Kamm leihen, damit er sich seine Haare wieder in Ordnung bringen kann. Das hat sie nun davon.«
    Am Eingang des Cafés wurde es lebendig. Ein Schwarm junger Mädchen drängte unter viel Gekicher und Geschnatter herein. Den zwei bösen alten Schachteln boten sich dadurch neue Zielscheiben für ihre Kritik.
    Robert Sorant stellte anerkennend fest, daß Altenbach gesegnet war mit hübschen Mädchen. Sogar die Kellnerin, die jetzt die Bestellungen der Mädchenschar entgegennahm, konnte sich durchaus sehen lassen. Sie hatte bezaubernde Beine, eine gute Figur und ein Gesicht, das italienische Gastarbeiter, die glaubten, ihr ein bißchen nähertreten zu können, in schwärmerische Rufe ›Madonna, Madonna!‹ ausbrechen ließ.
    Ja, die Mädchen von Altenbach …
    Robert Sorant schnalzte in Gedanken mit der Zunge.
    »Denkst du schon wieder ans Hofbräuhaus in München?« fragte ihn Lucia.
    »Wieso?« schreckte er auf.
    »Weil du so gesprächig bist wie ein Karpfen.«
    »Entschuldige – ich überlege.«
    »Was überlegst du?«
    »Wie wir das machen mit unseren Bühnenbildern.«
    Lucia schien an einer wunden Stelle getroffen worden zu sein; sie zuckte zusammen.
    »Heinz«, sagte sie, »ich habe mir das noch einmal durch den Kopf gehen lassen; ich möchte doch die Finger davon lassen.«
    Robert verdrehte die Augen.
    »Wieso denn das nun wieder?«
    »Ich sagte es dir schon – weil ich es mir nicht zutraue. Sieh mal, die griechischen Tempel, die Ornamente, die Gruppenskulpturen, die Reliefs – da ist eine Expertin nötig.«
    »Muß ich denn wieder von vorn beginnen? Expertin wäre doch nur eine nötig, wenn du die ganze Gestaltung der Bühne übernehmen müßtest. Du machst aber nur Entwürfe, die bühnentechnisch nicht vollkommen sein müssen, sondern nur eine deutliche Anleitung für den Bühnenbildner zu sein haben. Nach deinem Entwurf sollen die Bilder aufgebaut, in Maße gegossen und berechnet, gestutzt oder erweitert werden. Es wäre also gar nicht so schlimm, wenn man anfänglich nicht unterscheiden könnte, ob deine Reliefs am Tempelfries die Herakles- oder die Aphroditensage verherrlichen. Hauptsache sind die Komposition der Bauten und die optische Wirkung. Im übrigen habe ich vor kurzem in einer Zeitschrift eine Abhandlung veröffentlicht, die sich mit dem Wesen eines idealen Bühnenbildes befaßt. Ich habe den Artikel bei mir …«
    Damit zog er aus seiner linken Jackettasche eine reichlich zerknitterte Zeitschriftenseite heraus, entfaltete sie, strich sie glatt, damit sie lesbarer wurde, und begann seine Abhandlung zum besten zu geben.
    Gottergeben, mit einem Lächeln, das ihrem hellen Mädchenantlitz einen warmen, fraulichen Ausdruck verlieh, hörte ihm Lucia zu. Als der Artikel zu Ende war und Robert aufblickte, sah er in zwei glänzende Augen.
    »Hast du alles verstanden?« fragte er.
    »Ja.«
    »Und wie willst du die Bilder anfertigen?«
    »Ganz wie du es geschrieben hast.«
    »Nach Form eins, zwei oder drei?«
    »Vielleicht nach Form vier.«
    Robert stutzte.
    »Aber ich habe doch nur drei Formen beschrieben.«
    »Nur drei, sagst du?«
    Robert wurde mißtrauisch.
    »Hast du überhaupt zugehört?«
    »Nein.«
    Aber sie lächelte dabei, lächelte süß. Robert Sorant raufte sich die Haare.
    »Was machen denn die beiden?« raunte die betagte Tochter des Stadtdirektors ihrer Freundin zu.
    »Warum habe ich dir den ganzen Mist vorgelesen, wenn er dich nicht interessiert?« beklagte sich Robert bei Lucia.
    Diese antwortete: »Es war so schön, deine Stimme zu hören, nur deine Stimme. Mehr wollte ich nicht.«
    Zärtlich streichelte sie ihm über die Hand, die zusammen mit dem Zeitschriftenblatt auf die Tischplatte her niedergesunken war.
    »Deine Stimme wärmt mir das Herz.«
    Sorant schwankte

Weitere Kostenlose Bücher