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Der Gentleman

Der Gentleman

Titel: Der Gentleman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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›abschrecken‹ des Rezepts im Kochbuch stand ein Fragezeichen; außerdem war das Wort noch unterstrichen.
    Lucia lachte in sich hinein. Sie konnte sich denken, was passiert war. »O ihr Männer!« murmelte sie.
    Dann erst durchfuhr sie der Gedanke: Wie ist der überhaupt in die Wohnung gekommen? Habe ich ihm Schlüssel gegeben? Nicht, daß ich wüßte.
    Leise ging sie in das Zimmer zurück und betrachtete den Eindringling liebevoll.
    Eigentlich müßte ich ja, dachte sie, die Polizei rufen, die den Fall klärt; das würdest du verdienen, du Verbrecher, aber …
    Robert sagte etwas im Schlaf. Er hatte geträumt, vor einem unverschämten, dicken Verleger zu stehen, selbst noch ein Anfänger zu sein, das Manuskript, das er angeboten hatte, vor die Füße geworfen zu bekommen und vom Verleger ein ›Narr‹ genannt zu werden.
    »Ich bin kein Narr«, sagte Robert im Traum.
    Lucia, die ihm ins Gesicht blickte, las ihm die Worte von den Lippen ab und flüsterte: »Nein, ein Narr bist du nicht, aber anscheinend ein Einbrecher.«
    Es fiel ihr ein, sich das Schloß der Wohnungstür näher anzusehen. Sie huschte hinaus, entdeckte jedoch keine Merkmale einer gewaltsamen Öffnung und hatte, ehrlich gesagt, damit auch gar nicht gerechnet. Sie blickte sogar hinauf zum Oberlicht, fand aber auch alles in Ordnung. »Na, warte nur«, flüsterte sie, »ich werde dir schon auf den Zahn fühlen. Hauptsache, du bist hier.«
    Zurückgekehrt ins Zimmer, tat sie nun etwas sehr Infantiles. Und zwar band sie ganz leise und zart einen langen Bindfaden um Roberts linken kleinen Finger, schlich zur Küche und zupfte dreimal an der Kordel.
    Robert Sorant, der gerade in einem tiefen See schwamm – seine Träume waren sehr sprunghaft –, fühlte plötzlich einen Krampf in den Fingern, konnte nicht mehr schwimmen, ging unter und wollte schreien … da wachte er auf.
    Sein erster Blick schweifte durch die offene Tür in die Diele hinaus. Diese Tür hatte er zugemacht gehabt.
    Oder irre ich mich? dachte er etwas unsicher.
    Da zupfte es an seinem kleinen Finger. Aha, dachte er, die Schnur bemerkend, ein Kind möchte mit mir spielen. Na gut, wir wollen sehen … Er rührte sich nicht. Wieder zupfte es, eine Spur stärker diesmal. Er rührte sich nicht, hielt die Augen geschlossen. Gesehen hatte er blinzelnd, wohin die Schnur verlief, nämlich in Richtung Küche.
    Sekunden vergingen, eine Viertelminute, dann zupfte es erneut, nun zweimal nacheinander. Robert rührte sich nicht.
    Mein Gott, hat der einen Schlaf! dachte Lucia. Das ist ja nicht normal. Oder er hat in Bielefeld die ganzer, Nächte durchgefeiert. Etwa mit Frauen?
    Ganz energisch zupfte sie drei-, viermal hintereinander an der Schnur und dachte dabei: Dir werde ich schon helfen!
    Alles blieb am anderen Ende der Kordel absolut still und bewegungslos wie bisher.
    Du lieber Himmel, was war denn das? Lucia blickte ratlos auf die Schnur in ihrer Hand. Da stimme etwas nicht mehr, fürchtete sie.
    Robert hielt die Augen fest geschlossen. Gleich wird sie kommen, sagte er sich. Höre ich sie schon? Nein, noch nicht. Es kann aber nicht mehr lange dauern. Die Angst wird sie zu mir treiben. Befürchtungen werden sie quälen. Ich sehe sie direkt vor mir, wie sie in ihrer Küche steht, auf die Schnur starrt und nicht mehr weiß, was los ist.
    Ein zögernder Schritt wurde laut. Lucia setzte ihren Fuß auf die Schwelle der offenen Tür.
    Robert Sorant hing alarmierend erbärmlich in seinem Sessel, mit geschlossenen Augen, mit Wangen, die eingefallen waren. Dieses Kunststück ist gar keines, Robert beherrschte es; man muß nur von innen die Wangen zwischen die Zähne ziehen. Noch leichter ist es, dem Atem jederzeit etwas Röchelndes zu geben. Nur: Beides zur gleichen Zeit, das schafft man nicht. Man muß sich also abwechselnd auf das eine oder das andere verlegen, und man läuft keine Gefahr, sich dabei zu demaskieren, solange das Theater Menschen vorgespielt wird, die einen lieben und deshalb dazu neigen, in solchen Situationen in Panik zu geraten.
    Allmächtiger, dachte Lucia, sich ans Herz fassend, wo hatte ich vorhin meine Augen, Heinz schläft nicht, er ist … er ist …
    Sie wagte das Wort nicht einmal zu denken.
    Er sei bewußtlos, glaubte sie.
    Aber wieso? Er hatte doch vor kurzem noch Kartoffelsalat gegessen. Es muß ganz plötzlich über ihn gekommen sein, dachte sie. Was mache ich nur?
    Immer noch stand sie auf der Schwelle, wie angewurzelt. Ihre Beine schienen aus Blei zu sein.
    Da sah sie, wie

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