Der Gentleman
Hand.«
Robert Sorant lachte geringschätzig und entschied: »Kommt nicht in Frage!«
Nachdem er sein Bier und seinen Schnaps ausgetrunken und seine Bestellung wiederholt hatte, fragte er den Kellner: »Was verlangt die?«
»Fünfzig Mark.«
»Und wo sitzt sie?«
»In Süchkamp.«
»Wie kommt man da hin?«
»Am besten mit einem Taxi.«
»Rufen Sie mir eines.«
So rasant ging das bei Robert Sorant, wenn er sich einmal zu etwas entschlossen hatte und über den nötigen Promillegrad verfügte.
Die Strecke nach Süchkamp war schön. Kam man aus Altenbach heraus, lag rechts auf einem Hügel die Burg Trausberg, dann erreichte man den Stausee; die Chaussee führte steil bergauf und senkte sich in einigen Kurven wieder hinunter auf Baldern.
Kleine weiße Villen flogen vorüber, dann eine Kunst-Steinfabrik, ein großer Steinbruch – da war das Taxi schon auf der Brücke, und an den vier Außenmauern eines Bahnhofs hingen Schilder mit der Aufschrift ›Süchkamp‹.
Bis zu der Gewerbetreibenden, die Robert Sorant aufzusuchen gedachte, war's nur noch ein Katzensprung. Der Taxichauffeur wußte Bescheid. Er brachte nicht den ersten Fahrgast hierher.
»Soll ich warten?« fragte er Sorant vor dem Haus der Wahrsagerin.
Dieser nickte bejahend.
Die Praxis, die Robert dann betrat, schien in der Tat über mangelnden Zulauf nicht klagen zu müssen, denn das Wartezimmer war bis auf den letzten Platz gefüllt und an der Tür zum Ordinationszimmer hing eine Tafel mit Kreideschrift ›Heute 104-117‹.
Sorant besaß keine Nummer, zauberte aber in die Hand der Person undefinierbaren Alters, die als eine Art ›Empfangsdame‹ fungierte, einen größeren Geldschein und wurde sofort vorgelassen.
Die Wahrsagerin selbst war mindestens schon siebzig, mit vielen Falten im Gesicht. Aber ihre Augen blickten noch hell und schlau. Die Brille, welche die Alte auf hatte, konnte das nicht verbergen. Der Raum, in dem sie ihre Geschäfte abwickelte, lag im Halbdunkel.
»Sie sind gutsituiert«, begann sie.
Das war am Habitus Sorants nicht schwer zu erkennen.
»Ich bin zufrieden«, antwortete Robert.
»Sie kommen aus Köln.«
»Nein, aus Altenbach!«
»Aber Sie stammen aus Köln.«
»Hört man mir das an?«
Jedem Kölner hört man das an, falls man ein Ohr dafür hat, und wenn er sich noch so große Mühe gibt, es zu verbergen. Das ist das Schicksal der Kölner.
Die Wahrsagerin ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Sie hatte Erfahrungen mit sogenannten ›schwierigen‹ Kunden, die klüger zu sein glaubten als sie. Sie beschloß Robert einen kleinen Schuß vor den Bug zu setzen. Seine Fahne, die sie sofort gerochen hatte, bot ihr eine gute Gelegenheit dazu.
»Ich kann Ihnen genau sagen, woher Sie kommen.«
»Woher denn?«
»Aus dem Hotel ›Zur Post‹ in Altenbach.«
Sorant zeigte Wirkung.
»Von wem wissen Sie das? Vom Taxichauffeur?«
»Von welchem Taxichauffeur?«
»Er wartet draußen.«
»Fragen Sie ihn, ob jemand von uns mit ihm gesprochen hat.«
»Irgendwer muß Ihnen das gesagt haben.«
»Sicher.«
»Wer denn?«
»Der Schnaps, den Sie getrunken haben. Diese Marke wird nur von der ›Post‹ geführt.«
»Aber …«
»Was aber?«
»Daß Sie das herausgefunden haben, hat doch nichts mit Wahrsagerei zu tun.«
»Nein, nicht das geringste.«
»Sie riechen die Fahne – das ist das ganze Kunststück.«
»Sehr richtig. Ich wollte Ihnen damit nur zeigen, daß Sie, wenn Sie glauben, hier der Intelligentere von uns beiden zu sein, sich schon sehr anstrengen müssen, um das auch unter Beweis zu stellen. Unser Gewerbe verlangt von uns aus Gründen, die auf der Hand liegen, einen ganz besonderen Intelligenzquotienten, davon können Sie ruhig überzeugt sein. Oder glauben Sie das nicht?«
»Doch«, erwiderte Sorant widerstrebend. Die Alte hatte ihn ganz schön verblüfft.
»Gedenken Sie nun zu gehen oder zu bleiben?«
Sorant räusperte sich.
»Zu bleiben.«
Die Alte setzte sich in Positur, mit einer Miene der Genugtuung.
»Was wollen Sie von mir wissen?«
Sorant schilderte seinen Traum, und die Wahrsagerin bzw. Traumdeuterin hörte ihm aufmerksam zu. Als er mit seinem Bericht fertig war, sagte sie: »Sie lieben Ihre Frau?«
»Ja.«
»Sie sind eifersüchtig?«
»Ja.«
»Sie betrügen sie?«
»Nein.«
»Doch, das spüre ich sehr stark, aus jedem Ihrer Worte, aus Ihrem ganzen Verhalten.«
»Nein. Ich gebe zwar zu …«
Robert stockte.
»Was geben Sie zu?«
»Daß ich in Altenbach eine junge Dame kenne, die
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