Der geplünderte Planet: Die Zukunft des Menschen im Zeitalter schwindender Ressourcen (German Edition)
Eisen war in der Menschheitsgeschichte die meiste Zeit ein kostbares Gut gewesen, das man fast ausschließlich für die Herstellung von Waffen und Rüstungen verwendete. Jetzt konnte man aus Eisen alltägliche Gebrauchsgegenstände machen, wie Töpfe und Pfannen, und nicht nur das. Das 19. Jahrhundert war die Zeit der eisernen Säulen, mit kunstvollen eisernen Kapitellen, die den Marmorkapitellen der alten griechischen Tempel nachempfunden waren. Auch Stahl wurde zum Alltagsgut und für eine neue Waffengeneration eingesetzt: für Kanonen, Musketen und »gepanzerte« Kriegsschiffe, die man seit dem frühen 19. Jahrhundert baute. Sie kündigten das Zeitalter der Schlachtschiffe (»Dreadnoughts«) an, das im 20. Jahrhundert folgen sollte.
Kohle machte nicht nur das Eisen billig, sie leistete noch viel mehr. Sie lieferte die Energie für die Dampfmaschine. Die ersten Maschinen dieser Art wurden eingesetzt, um Wasser aus den Kohlenbergwerken zu pumpen. Sie waren ziemlich ineffizient, aber das spielte keine Rolle. Kohle war billig und reichlich vorhanden. Mit Hilfe dieser Pumpen konnte man immer mehr Kohle gewinnen; immer mehr Kohle lieferte Energie für weitere Pumpen und dies wiederum führte zu einer weiteren Steigerung des Kohlenabbaus. Mit der Zeit wurde die Dampfmaschine so leistungsfähig, dass sie Schiffe und Lokomotiven antreiben und auch Fabriken mit Energie versorgen konnte. Im Jahr 1865 schrieb Stanley Jevons, dass »Kohle nicht ein Gut ist wie alle anderen, sondern über allem steht. Sie ist die materielle Energie des Landes – die allgegenwärtige Hilfe – der wesentliche Faktor in allem, was wir tun. Mit Kohle wird fast jede Leistung möglich oder leicht gemacht; ohne sie werden wir in die mühevolle Armut früherer Zeiten zurückgeworfen. ( The Coal Question , 1865).
Mit Hilfe der Kohle brachte Großbritannien die erste Industrielle Revolution auf den Weg, ein ehrfurchtgebietender Komplex von Fabriken, Menschen und Maschinen, der das Kraftwerk im Innern des Britischen Weltreichs bildete. Die Idee griff rasch auf andere Länder über. Frankreich hatte mit seiner Kohlerevolution vielleicht sogar schon früher als Großbritannien begonnen. Und die Französische Revolution von 1789 ergab sich aus der Notwendigkeit, die alte grundbesitzende Aristokratie loszuwerden und Platz zu schaffen für eine neue, kohlebasierte Wirtschaft. Auch Deutschland trieb den nationalen Bergbau voran und langsam breitete sich die Revolution Richtung Osteuropa aus, nach Polen und Russland. Schließlich griff sie auch auf Nordamerika über. Der Herrschaft von »König Kohle« war gleichwohl keine ewige Dauer beschieden, da die Kohle wohl die erste wichtige Mineralressource der Neuzeit war, bei der Verknappungsprobleme auftraten. Die Produktion in England erreichte ihren Höhepunkt in den 1920er Jahren, in Deutschland war das wenige Jahre später der Fall. Frankreich verzeichnete seinen Produktionshöchststand wiederum 20 Jahre später, ohne dass je die Größenordnung der englischen und der deutschen Produktion erreicht wurde. Die europäischen Weltreiche waren durch die Kohle erschaffen worden, sie gingen auch zusammen mit ihr unter. »König Kohle« dankte ab, zumindest in Europa.
Mit dem Niedergang der europäischen Produzenten war aber die Geschichte der Kohle noch nicht zu Ende, in Nordamerika, China und Australien übernahmen neue Länder die Führung. Heute ist Kohle die weltweit am schnellsten wachsende Energiequelle. Davon abgesehen war es der Kohle bestimmt, an Bedeutung zu verlieren, als ein neuer Mineralrohstoff auf der Bildfläche erschien: das Erdöl, vielseitiger, leistungsstärker und leichter zu transportieren.
Die moderne Geschichte des Erdöls beginnt um die Mitte des 19. Jahrhunderts. Es war ein sehr bescheidener Anfang. Zu jener Zeit bezogen fast alle Bereiche ihre Energie von der Kohle, aber eben nur fast alle. Eine Marktnische konnte die Kohle nicht besetzen: die Beleuchtung. Kohle ließ sich zwar verbrennen, aber man konnte keine taugliche mit Kohle betriebene Lampe herstellen. So herrschten bei der Innenbeleuchtung der Häuser im 19. Jahrhundert nach wie vor mit Pflanzenöl oder Tierfett betriebene Öllampen vor, eine uralte Technik, die die Menschheit durch Jahrtausende begleitet hatte. In der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde ein Verfahren entwickelt, welches rohes Erdöl in Petroleum umwandelte. Damit war ein neuer Brennstoff für Öllampen geschaffen. Bis dahin konnte man Rohöl nur in begrenzten
Weitere Kostenlose Bücher