Der geplünderte Planet: Die Zukunft des Menschen im Zeitalter schwindender Ressourcen (German Edition)
ausgelöste Revolution nahm ihren Lauf, ohne dass irgendjemand (von wenigen Ausnahmen abgesehen) dem langfristigen Zyklus der Erdölgewinnung, der sich vor allen Augen abzeichnete, Beachtung schenkte. Nur einige wenige Leute hatten gelegentlich den Gedanken geäußert, dass wir Ressourcen verbrauchten, die endlich waren, und früher oder später mit Verknappungsproblemen konfrontiert sein würden. Anfangs waren solche Behauptungen jedoch nicht ausreichend mit Fakten belegt und wurden durch die anrollende Welle neuer, das Wachstum der Mineralindustrie ankurbelnder Entdeckungen beiseite gewischt. Das Ganze wurde angeheizt durch das offenbar nicht aufzuhaltende Wachstum der aus fossilen Brennstoffen gewonnenen Energie.
Abbildung 2 – 6: Hubberts Vorhersage zur Ölproduktion in den 48 Kernstaaten der USA:
Hubberts Prognose, wonach die Erdölförderung in den späten 1960er bzw. den frühen 1970er Jahren das Fördermaximum erreichen würde, wurde bestätigt. Die Grafik stammt aus dem Jahre 1956 und wird hier im Original wiedergegeben.
Die Situation änderte sich in den 1950er Jahren, als allmählich belastbares Zahlenmaterial über die weltweiten Kohlenwasserstoffressourcen zu bekommen war. Zu jener Zeit begann der amerikanische Geologe Marion King Hubbert sich darüber Gedanken zu machen, wie lange sich die damals übliche Steigerung der Produktionsraten beim Öl wohl aufrechterhalten lassen würde. Er entwickelte ein Modell, das Aufsehen erregte und auch nach ihm benannt wurde: das »Hubbert-Modell« 67 (vgl. den Beitrag von Pagani & Caporali, S. 194 ff. ). Demgemäß sollte das Ölfördermaximum in den Vereinigten Staaten etwa um 1970 erreicht sein. Viele betrachteten diese Vorhersage als puren Irrsinn, sie erfüllte sich aber mit bemerkenswerter Genauigkeit. Dass die Förderrate des bis dahin größten Produzenten der Welt, der USA, ihr Maximum (»speak«) erreichte und dann sukzessive zurückging, konnte für das globale Produktivsystem nicht ohne Folgen bleiben. Das war einer der Faktoren, die die erste große Ölkrise ab 1973 auslösten.
Alle wurden von der Krise überrascht; sie kam jedoch nicht wirklich unerwartet. Schon in den 1960er Jahren hatte Pierre Wack, Analyst bei Shell Oil, zur Analyse der Situation die sogenannte »Szenariotechnik« als Methode angewandt 68 . Bis dahin war die globale Ölproduktion jährlich fast konstant um sieben Prozent pro Jahr gestiegen. Um diese Wachstumsrate beizubehalten, wären aber enorme Investitionen notwendig gewesen. Wack stellte fest, dass Investitionen solcher Art nicht getätigt wurden. Das konnte nicht gut gehen. Das Ergebnis war die erste »Ölkrise«. Sie wurde allseits politischen Faktoren zugeschrieben. In Wirklichkeit ergab sie sich aus der Tatsache, dass das Wirtschaftssystem nicht in der Lage war, die für die Aufrechterhaltung der bisher üblichen Wachstumsraten notwendigen Ressourcen bereitzustellen. Die Krise zog sich über mindestens zehn Jahre hin, bevor die Produktion wieder anfangen konnte zu wachsen. Das war Mitte der 1980er Jahre, als Öl aus der Nordsee und aus erneuerten Förderanlagen in Saudi-Arabien auf den Markt kam. Das globale System der Ölproduktion erreichte allerdings nie wieder die niedrigen Preise und die schnellen Wachstumsraten aus der Zeit vor der Krise. Gleichwohl wurde ihm eine etwa 20 Jahre währende Atempause eingeräumt. Dann begannen die Preise wieder zu steigen und erreichten im Jahr 2008 einen neuen Höchststand bei einem Niveau von fast 150 US-Dollar pro Barrel.
Abbildung 2 – 7: Entwicklung der Ölpreise von 2000 bis 2012.
Am 11. Juli 2008 stiegen die Ölpreise auf eine neue Rekordmarke. Für die Nordseesorte Brent (der führenden Referenzölsorte in Europa) und das US-Leichtöl WTI (Förderregion Nordamerika) wurden Preise um 147 US-Dollar pro Barrel notiert.
Dieses Mal gab es weder ein Embargo noch irgendeine große politische Verwerfung, die man zur Erklärung der Krise hätte heranziehen können. Wie schon gehabt, war es eine Frage des Angebots. Während die Nachfrage eine Rekordhöhe erreichte, waren die weltweiten Förderanlagen der Aufgabe nicht mehr gewachsen. Das konnte eigentlich keine große Überraschung sein. Bereits im Jahr 1956 hatte Hubbert sein Modell zur Erdölförderung auf die Welt als Ganzes angewandt und dabei erkannt, dass man etwa um die Jahrtausendwende mit Schwierigkeiten würde rechnen müssen. Neuere Studien waren zu der Einschätzung gekommen, der globale Höchststand der Ölförderung
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