Der Geruch von Blut Thriller
Diese Leute haben mehr Morde und Schwerverbrechen verübt als die erstbesten sechzig Ganoven in irgendeinem Gefängnisblock.
Aber er braucht sich nichts vorzumachen, er kann nicht zulassen, dass Ray jemanden kaltblütig abschlachtet. Finn ist vollkommen klar, dass Ray zumindest mit dem Gedanken spielt, ihn ebenfalls aus dem Weg zu räumen, nur um auf der sicheren Seite zu sein.
Nach zwanzig Jahren Freundschaft, fast dreizehn bei der Polizei, fünf mit goldener Dienstmarke, wird ihm schmerzlich bewusst, dass er Ray nie besonders gemocht hat.
Er tut das, was er nicht tun sollte, weil es nicht gut für ihn ist. Weil es in den folgenden Tagen Unfrieden und Kummer bringen wird, auch wenn er sich selbst treu geblieben ist.
Finn packt Ray am Handgelenk und drückt zu. Ray stöhnt auf, er sieht zu Finn rüber und versucht vergeblich, sich aus seinem Griff zu befreien.
Die Männer wissen, dass das nicht die reguläre Vorgehensweise ist, aber sie sind alle clever genug, nicht sofort nach ihren Waffen zu greifen. In gewisser Hinsicht demonstrieren sie Finn ihr Vertrauen. Na so was. Noch während er mit Ray ringt, hadert er mit dem Gedanken, dass diese Typen auf seiner Seite sind, ihm Glück wünschen und hoffen, dass er gewinnt.
Man kann keine gottverdammten zehn Minuten durchs Leben gehen, ohne dass einem irgendein verwirrender Mist passiert.
Die Kollegen wollen einem an den Kragen, und die Mafiosi trinken mit Sauvignon Blanc auf dein Wohl.
Wie war’s heute im Kampf gegen das Böse?
Ray beugt sich vor und sagt: »Lass mich los, du Chorknabe.«
Finn hält die Mafiosi in Schach. Sie tun so, als wenn nichts wäre. Zwei Bullen im Hinterzimmer, die ganz klar außer Kontrolle sind und gefährliche Sachen machen, und die Typen stochern immer noch im Fisch herum.
»Hör auf mit dem Quatsch.«
»Dazu ist es zu spät, wir haben es außerdem fast geschafft. Nur noch ein klitzekleiner Schritt.«
»Du kannst es nicht schaffen, das ist das Problem.«
Ray versteckt seinen Zorn und seine Enttäuschung hinter einer dicken Portion Charme. »Hör mal, kapierst du denn gar nichts? Nachdem sie mich umgelegt haben, was glaubst du, wie lange es dauert, bis du dran bist?«
»Das ist nicht …«
»Und nach dir Dani?«
Allein ihren Namen zu hören, lässt Finn erstarren. Ray weiß das. Finns Muskeln blockieren so abrupt, dass die Ellbogen krachen wie kleine Gewehrschüsse. Wie eine Zange greift er zu, bis Rays Knochen knirschen und blankes Entsetzen in seine Augen tritt. Wenigstens lächelt er jetzt nicht mehr. Manchmal denkt Finn, er gäbe alles dafür, sogar sein Leben, um Ray das Grinsen aus dem Gesicht zu prügeln.
Ray zieht die Luft durch die Zähne und ballt die freie Faust, um sie Finn zwischen die Rippen zu hauen. Finn wehrt den Schlag ab und drückt noch fester zu. Ein fast orgastisches Stöhnen entfährt Ray, so dass einer der beiden Killer ein kleines Stück in Richtung Schrank rückt, bereit, jeden Moment aufzuspringen.
Er heißt Franco oder Marco oder Loco und kann angeblich gut mit einer abgesägten Schrotflinte umgehen. Finn sieht ihm in die Augen und gibt ihm ohne Worte, aber unmissverständlich zu verstehen, dass, sollte er es versuchen, jeder im Raum tot ist. Ray tritt nach Finns Unterleib.
»Treten ist was für Weicheier«, sagt Finn. Ein Satz, auf den er vierzehn Jahre gewartet hat. Er hatte gehofft, größere
Katharsis dabei zu erfahren. Vielleicht hätte er noch ein Weilchen warten sollen.
Aus dem Marktbereich kommen ein paar weitere Mafiosi ins Hinterzimmer, um sich etwas zu essen zu holen. Es sind inzwischen definitiv zu viele, um alle auf einmal zu erledigen. Finn lässt Ray los. Sie machen beide exakt dieselbe Geste. Sie winken die Neuankömmlinge mit ihren Waffen herein: Los, Reinkommen.
Jetzt stehen Ray und er Schulter an Schulter, und die alte Vertrautheit ist wieder da und macht sie zu dem, was sie sein sollten - Partner, die sich aufeinander verlassen. Ray ist wieder der Alte, so wie Finn ihn kennt. Nichts mehr von wegen »auf mein Kommando«.
Ray geht zum Tisch und nimmt einen tiefen Schluck aus der Weinflasche. Ohne Vorwarnung stürzt sich Finn auf Franco Marco Loco und befördert ihn mit einem Genickschlag zu Boden.
Man muss den Leuten klarmachen, dass sie am besten gar nicht erst auf die Idee kommen, sich zu wehren.
Nachdem sein Adamsapfel fünfzehn Sekunden lang gearbeitet hat, hat Ray den Sauvignon Blanc geleert und stößt laut auf. Er wirft die leere Flasche auf den Fisch und sagt:
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