Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Geruch von Blut Thriller

Titel: Der Geruch von Blut Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Piccirilli
Vom Netzwerk:
bitten, zu den anderen zu gehen.«
    »Was soll das, Mr. Finn?«
    »Warum, Mr. Finn?«

    Er weiß nicht recht, was er antworten soll. Die beiden halten ihn ohnehin schon für einen Trottel, und die anderen vielleicht auch. Er hat sich nie richtig Autorität bei ihnen verschaffen können. Seine Stimme gerät ins Wanken. Er gerät ins Wanken. Seine ganze Persönlichkeit gerät ins Wanken.
    Carlyles Geliebte, die vor Gericht grinst, vor Carlyles Söhnen sitzt und sich quer durch den Raum mit Carlyle verständigt, während ein Zeuge nach dem anderen hereingeführt wird, mit dem Finger auf Carlyle zeigt und sagt, was für ein Stück Scheiße er ist. Links weint die Schwester eines ermordeten Polizisten. Carlyles Söhne sind gut frisiert und riechen nach Talkum. Der Ältere ist bereits im Syndikat, und der Jüngere sieht aus, als würde er Computerspiele spielen. Die Geliebte öffnet eine Puderdose und pudert sich das Kinn. Einmal begegnet sie Finns Blick, und als sie lächelt, zucken ihre Pausbacken. Lea sagt: »Er sieht aus, als wollte er gleich jemanden verprügeln.«
    »Wen wollen Sie verprügeln, Mr. Finn? Uns?«
    »Wir haben eine Tracht Prügel verdient.«
    »Na ja, du jedenfalls«, sagt Caitlin.
    »Du auch. Es ist nicht seine Schuld, auf jeden Fall nicht ganz, dass sein Leben zum Abbild einer Männerfantasie geworden ist.«
    »All das hübsche junge Fleisch.«
    »Und alles Jungfrauen, die darauf warten, von einem älteren Mann entjungfert zu werden.«
    »Einem, zu dem wir aufsehen und dem wir vertrauen.«
    »Und der unfreiwillig Zeuge unserer aufkeimenden Sexualität wird. Unseres lesbischen Gefummels. Na ja, so was Ähnliches wie ein Zeuge.«
    »Also, du hast gefummelt.«

    »Ein bisschen, am Anfang.«
    Herrgott. Die beiden lachen sich halbtot. Finn hat sich solche Bosheiten schon oft anhören müssen. Sogar Murphy war das aufgefallen. Die wohnen in einem anderen Zimmer. Vielleicht sind sie einfach zu clever.
    »Geht nach oben zu den anderen.«
    »Warum denn, Mr. Finn?«
    »Tut einfach, was ich sage, Lea.«
    »Sie klingen ängstlich.«
    Finn tritt einen Schritt vor und stellt fest, dass sie beide unter dem Fenster kauern. Das Eis fliegt gegen die Scheibe wie wütende Insekten. Er stellt sich vor, dass sie durch das Glas brechen, wie in einer Plage aus dem Alten Testament.
    Eines der Mädchen, er glaubt, dass es Caitlin ist, streift mit den Lippen über seine Finger. Er sieht die Ausreißerin vor sich, wie sie sich bei ihm bedankt, dass er sie zurück nach Muskogee schickt.
    Er packt beide Mädchen am Ellbogen, zieht sie hoch und schiebt sie zur Treppe. »Los.«
    »Wovor haben Sie Angst?«
    »Ihr habt zu viel getrunken, meine Lieben. Weiter.«
    »Das ist es nicht«, sagt Lea.
    »Was passiert jetzt?«, fragt Caitlin. »Sie sind so aufgebracht. Sie tun uns doch nicht weh, oder, Mr. Finn?«
    »Nein, natürlich nicht. Hört mir zu …«
    »Der Herr will feiern«, sagt Caitlin. »Die ganze Tanzerei, der Wein, die Waffeln, die Kerzen …«
    »Beschnittene Vorhäute, geschlachtete Lämmer, Isaak auf dem Altar …«
    Der Wind rüttelt an den Fenstern. Das Dach knarrt und ächzt. Der Sturm wütet immer stärker. Das Mauerwerk
erzittert, und unten im Eingangsbereich drängt erneut ein brachialer Akkord aus dem Klavier.
    Er lässt die Mädchen los und treibt sie in Richtung Gemeinschaftsraum. Die Musik ist wieder voll aufgedreht. Lea und Caitlin murmeln etwas von »Kaufreue«, »Feldarbeiter«, »nekrotisch« und »das Extrem, an das ich gelangt bin«.
    Zögernd marschieren sie los. Finn dreht sich um. Die Fenster klappern und rufen ihn, als wollten sie ihm ein Geheimnis mitteilen.
    Das ist normal, völlig natürlich, in seiner Situation, unter diesen Umständen, Dinge zu personifizieren.
    Das ist gut so, zumal ihm nach Reden ist.
    Er sagt: »Ich bin ja schon da. Ganz ruhig. Wir regeln das jetzt.«

F ünf Minuten lang läuft Finn durch die Korridore des Torhauses und ruft nach Harley. Er kann sich nicht damit abfinden, dass sie nicht da ist, aber was soll er machen? Als er durch die Eingangstür hinausgeht, bellt ihm das Klavier wütend nach. Der Wind peitscht ihm direkt ins Gesicht.
    Es ist eiskalt. Der Atem brennt in der Kehle. Das Tal ist bis oben hin voll mit Schnee. Die Kälte macht ihm den Kopf frei. Er weiß jetzt, dass sich jemand auf dem Gelände befindet, der nicht hierhingehört.
    Auf dem Weg zurück ins Büro versucht er erfolglos festzustellen, ob vor ihm Fußstapfen im Schnee sind. Der Weg ist schon wieder

Weitere Kostenlose Bücher