Der Geruch von Blut Thriller
»Man könnte meinen, bei so viel Gehirnnahrung hättet ihr Penner ein bisschen was dazugelernt.«
»Ich habe heute etwas über dich gelernt«, sagt der Chef.
»Ach ja? Was kann das sein?« Ray grinst, jetzt, wo er wieder alles unter Kontrolle hat. »Na? Sag’s mir. Ich will es wissen.«
Der Chef ist cool genug, ihn nur leicht amüsiert anzusehen. Finn weiß genau, was gleich passiert. Ray legt dem Chef Handschellen an und rammt ihm das Knie in die Weichteile. Und so ist es auch.
Während der Chef sein Mittagessen von sich gibt, sagt Ray: »Ich habe dich nicht richtig verstanden. Nächstes Mal musst du lauter sprechen.«
Ray führt den Mafiosi ab zu ihrem Wagen am Ende der Straße. Er sieht Finn an, und seine Finger rutschen über den Abzug. Finn beobachtet ihn aufmerksam.
»Ist dir klar, was du da eben getan hast?«, fragt Ray.
»Vielleicht nicht.«
»Ich weiß zu viel. Ich habe zu viel gegen sie in der Hand. Sie werden mich kaltmachen.«
»Das lasse ich nicht zu.«
»Du kannst nichts dagegen tun, du Chorknabe.«
»Hast du nicht schon genug Mist gebaut?« Finn findet, sie sollten die Sache ein für alle Mal klären, aber mitten auf der Straße vor einem von Carlyles Leuten ist vielleicht nicht der beste Zeitpunkt. Der Chef stöhnt und fängt an, ein bisschen zu rebellieren, also zieht Finn ihm eins über. Er fällt hin und bleibt zappelnd auf dem Boden liegen. »Musstest du unbedingt die große Nummer abziehen? Konntest du dir nicht einfach ein bisschen etwas unterm Tisch zuschieben lassen? Musstest du gleich mit ihnen ins Bett springen?«
»Du hast immer noch keine Ahnung, was hier läuft«, antwortet Ray. »Du bist der dämlichste Bulle von ganz New York. Keiner will etwas mit dir zu tun haben. Niemand sonst würde mit dir zusammenarbeiten. Niemand vertraut dir, von Anfang an nicht. Und seit der Geschichte auf dem Dach schon gar nicht.«
»Diesmal bist du dran. Wenn Carlyle sich Sorgen macht, weil du zu viel weißt, dann auch die Jungs auf seiner Gehaltsliste.«
»Du hast keine Ahnung, wie oft ich verhindert habe, dass sie dich fertigmachen.«
»Wirklich?«, sagt Finn. »Nächstes Mal sag ihnen, sie sollen ruhig kommen. Tu, was du tun musst. Ich werde dasselbe tun.«
»Weil es dein Job ist, die Unschuldigen zu beschützen.«
»Das ist auch dein Job, du Idiot.«
Finn musste damals zugeben, dass er in dem Augenblick wirklich nicht wusste, was er getan hatte.
Aber all die folgenden Jahre in der Dunkelheit hatte er genug Zeit, darüber nachzudenken, und seine Entscheidungen holen ihn immer wieder ein.
» F inn!«
Irgendjemand ruft immer nach ihm.
»Diese Scheißkerle.«
»Finn!«
Er kniet auf dem Boden, und Vi kauert vor ihm und brüllt ihm ins Ohr.
»Ich bin hier«, sagt er.
»Sie müssen weglaufen.«
»Ich bin hier. Wo sind sie?«
»Ich weiß es nicht.«
Er streift den Mantel ab und legt ihn um Vis Schultern. Sie stöhnt auf, als er sie berührt. »Hast du gehört, ob sie das Haus verlassen haben?«
»Nein.« Sie hustet, und es klingt feucht und rot. »Aber es kann sein, dass ich … dass ich …«
»Ohnmächtig war?«
»Ja, vielleicht.«
»Du blutest. Wir schwer bist du verletzt, Vi?«
»Ich weiß nicht.«
»Ich muss dich in mein Büro bringen.«
»Nein! Da sitzen wir in der Falle.«
Sie hat Recht. Man sollte sich nicht in einem Raum verbarrikadieren, der nur einen Ausgang hat. Und eine Tür aus Milchglas.
»Du kannst dich verstecken.«
»Nein, sie finden mich bestimmt wieder.«
»Lass uns das Telefon benutzen.«
»Ich will nach Hause«, sagt sie und klingt wie eine Neunjährige.
»Mein Gott«, fleht er und hält sie noch fester.
Er zieht sie hoch, schließt sein Büro auf und führt sie hinein. Sie ist vollkommen verängstigt und fängt an zu wimmern. So wie er es schon tausendmal und doch noch nie gehört hat. Ein Winseln, das seit fünf Jahren in ihm steckt, vielleicht auch noch länger. Er macht die Tür zu und verschließt sie von innen.
Er muss jemanden anrufen. Judith und Murphy alarmieren. Sie sollen sich auf das Schlimmste gefasst machen und die Augen offen halten. Die Bullen rufen, damit sie sich in ihre Schneeraupen setzen und ihre Hinterwäldler-Ärsche hierherbewegen. Er nimmt den Hörer ab. Tot. Er fragt sich, ob es am Schneesturm liegt oder ob sie die Leitung gekappt haben.
»Erzähl mir, was passiert ist.«
»Es waren zwei. Sie haben mich festgehalten und vergewaltigt.« Er sieht zum Fenster und denkt: Meine Feinde haben mich gefunden. Wer immer es
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