Der Gesandte der Götter (German Edition)
hüte seinen Weg schon, seit er aus der Gefangenschaft des Fürsten Farinor entlassen wurde. Es soll Euch als Erklärung genügen, dass ich Chiron jederzeit helfen muss, wenn er mich in großer Gefahr ruft. Auch jetzt ist er wieder auf dem Weg in eine solche, doch er wird mich nicht mehr rufen, wenn sie ihn ereilt. Er glaubt nämlich, dass ich ihm nicht mehr helfen werde. Ich warnte ihn, einen Unschuldigen zur Rache an seinem Bruder zu benutzen. Doch er konnte seinen Zorn nicht beherrschen und vollzog die Rache an Euch. Da er meiner Weisung zuwiderhandelte, nimmt er nun an, ich hätte mich von ihm abgewandt. Das stimmt aber nicht, und ich würde ihn gern vor der Gefahr bewahren, in die er jetzt schnurgerade hineinläuft. Da ich ihm aber nur helfen darf, wenn er selbst mich ruft, bin ich nicht in der Lage einzugreifen, möge die Gefahr auch noch so groß sein. Aber da er mich nicht rufen wird, muss ich eine andere Möglichkeit finden, ihm Hilfe zu senden. Ihr könntet diese Hilfe sein, wenn Ihr wollt. Seid Ihr bereit, Gefahren auf Euch zu nehmen, wenn Ihr ihn dadurch retten könnt? Oder brennt in Euch noch der Hass über die Schmach, die er Euch antat? So solltet Ihr aber doch bedenken, dass Ihr, indem Ihr Chiron helft, vielleicht auch eine Möglichkeit findet, Euren Bruder zu retten. Nun, was sagt Ihr?“
„Ich bin gern bereit, jede Gefahr auf mich zu nehmen, um meinem Bruder zu helfen, der durch meine Schuld in dieser Not geriet“, antwortete Loara. „Und auch … König Chiron möchte ich helfen, denn ich empfinde keinen Hass für ihn. Doch mein Vater wird mich nicht fortlassen, da er um meine Sicherheit fürchtet. Er schlug es ab, mich zu Menas zurückkehren zu lassen, um meinen Bruder auszulösen.“
„Daran hat Euer Vater recht getan“, meinte Rotron, „denn Menas plant Übles mit Euch, sollte er Euch je wieder in die Hände bekommen. Zwar will auch ich Euch zu Menas‘ Schloss senden, doch keinesfalls zu ihm selbst. Aber dennoch birgt das, was Ihr tun sollt, viele Gefahren in sich. Doch kommt, wir wollen in Eure Gemächer gehen! Dort werde ich Euch meinen Plan erklären.“
„Aber was soll ich sagen, wenn uns jemand sieht?“ fragte die Prinzessin. „Wie soll ich Eure Anwesenheit erklären, und was antworte ich, wenn man mich fragt, wer Ihr seid? Ich weiß es ja selbst noch nicht einmal!“
„Seid unbesorgt! Niemand wird mich auf dem Weg zu Euren Räumen sehen, so dass Ihr nichts zu erklären braucht. Und dort sage ich Euch auch mehr über mich“, antwortete Rotron. Damit zog er unter seinem Mantel einen dünnen Umhang hervor und legte ihn sich um die Schultern. Als er den Riegel schloss und die Kapuze aufsetzte, war er plötzlich verschwunden. Loara erschrak. „Keine Angst, Loara!“ sagte da Rotron Stimme, die aus dem Nichts zu kommen schien, dicht neben ihr. „Der Umhang verbirgt mich vor Euren Blicken und auch niemand anderes wird mich sehen. Geht nun voraus und tut, als wäret Ihr allein. Ich folge Euch.“
Loara hatte das Schloss bald erreicht und schritt nun auf ihre Räume zu. Sie begegnete einigen Dienern, die sie wie gewohnt grüßten. Niemand bemerkte Rotron, der sich dicht hinter Loara zu befinden schien. In ihren Gemächern angekommen, bat die Prinzessin ihre Dienerinnen, sie allein zu lassen. Nachdem die Frauen gegangen waren, nahm Rotron den Umhang ab und wurde wieder sichtbar. Sie ließen sich am Kamin nieder, und Rotron legte lächelnd den Umhang auf den Schoß der Prinzessin.
„Ich schenke ihn Euch“, sagte er, „denn ich brauche diese Dinge eigentlich nicht. Ich legte ihn nur an, um Euch zu zeigen, wie er wirkt, denn Ihr werdet ihn brauchen, um in Menas‘ Schloss zu kommen. Doch nun will ich Euch etwas von mir erzählen. Wie Ihr es wohl schon vermutet habt, bin auch ich ein Magier, aber ich benutze für meine Kunst andere Kräfte, als Xoras es tut. Auch liegt mein Interesse nicht darin, unter den Menschen Macht und Einfluss zu gewinnen. Ich diene anderen Mächten als Xoras. Solange er mir nicht in die Quere kam und das Unheil, dass er anrichtete, geringer Natur war, habe ich mich nicht um ihn gekümmert. Aber durch Menas‘ Unterstützung ist er mächtig geworden und seine Verbrechen nehmen überhand. Darum wurde mir aufgetragen, Chiron bei seinem Kampf zu unterstützen, um Xoras Einhalt zu gebieten. Chirons Schicksal betrübt die Götter, denn er war seinem Volk ein guter Herrscher. Doch Chiron muss sich zuerst bewähren, ob er der Gunst der
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