Der Gesandte der Götter (German Edition)
Tages deine Treue selbst belohnen zu können. Bis dahin jedoch macht es mich ruhiger, dich hier in guter Obhut zu wissen. Das wird mir auf meinem Weg ein kleiner Trost sein. Und nun lass uns schlafen gehen, denn ich möchte morgen früh aufbrechen.“
Als die Sonne am nächsten Morgen aufging, verließ Chiron das Schloss. Nur der alte Ordin begleitete ihn zum Tor. Niemand sonst kam, um ihm Lebewohl zu sagen. Doch als Chiron sich noch einmal umwandte, entdeckte er auf einem der Balkons eine schlanke Gestalt, deren rotes Haar im Licht der ersten Sonnenstrahlen wie poliertes Kupfer glänzte – Loara! Ein weißes Tuch flatterte in ihrer Hand, die sie zum Abschied grüßend erhoben hatte.
Wie mit feurigem Eisen brannte sich ihr Bild in Chirons Herz. Abrupt wandte er sich um und trieb mit einem harten Schlag sein Pferd an, das ihn im Galopp einem ungewissen Schicksal entgegentrug.
*****
Nach dem vereitelten Versuch, Loara und Chiron wieder in die Hände zu bekommen, waren Menas und Xoras in großer Hast zum Schloss zurückkehrt, da sie befürchteten, Soradan könne sie verfolgen. Menas schäumte vor Wut und überhäufte Xoras mit Vorwürfen, dass sein Plan misslungen war. Er, der sich schon sicher im Besitz der schönen Loara und der unumstrittenen Herrschaft über Varannia geglaubt hatte, sah sich nun den größten Gefahren gegenüber. Er war fest davon überzeugt, dass Soradan Chiron helfen würde, die Krone zurückzuerobern. Er wusste, das Soradan anhand des Brandmals schnell feststellen würde, dass Chiron die Wahrheit sagte, zumal auch Loara ihm anscheinend geglaubt hatte.
Menas hatte Angst. Wie die meisten Menschen, die gern andere quälen, war er ein Feigling. Kalkweiß und mit verzerrtem Gesicht krallte er sich in Xoras‘ Arm.
„Tu doch etwas!“ keuchte er. „Du musst mich vor Soradan schützen! Wofür habe ich einen Magier in meine Dienste genommen, wenn er nicht in der Lage ist, mir die Krone zu erhalten? Soradan ist mächtiger als ich. Er wird mit einem riesigen Heer kommen und mich an Chiron ausliefern. Und dann bin ich verloren!“
„Beruhigt Euch, Herr!“ Um Xoras‘ Mundwinkel zuckte ein geringschätziges Lächeln. „Noch ist es nicht so weit! Ihr vergesst, dass Leoris noch in unseren Händen ist. Soradan wird nicht wagen, Euch mit Krieg zu bedrohen, solange Ihr seinen Sohn als Geisel habt. Leoris ist unsere beste Versicherung. Und ohne Soradans Hilfe kann Chiron nichts ausrichten. Wir werden Leoris daher auch hier im Kerker unterbringen. Sendet sein und Loaras Gefolge zu Soradan zurück. Wir brauchen sie nicht mehr. Sie können Soradan eine Botschaft überbringen und wir brauchen sie nicht mehr zu überwachen und zu füttern. Leoris allein genügt uns als Geisel. Lasst Soradan ausrichten, er könne seinen Sohn zurückerhalten, wenn er uns Chiron dafür ausliefert. Käme er jedoch mit einer Kriegsmacht, stürbe Leoris eines langsamen, schrecklichen Todes. So habt Ihr zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen, denn Soradan ist ein Mann von Ehre und wird Chiron nie in Eure Hände liefern. So seid Ihr die Bedrohung durch Soradan los. Chiron jedoch wird wohl weiter versuchen, die Herrschaft zurückzugewinnen, und bei diesem Versuch wird er irgendwann in Eure Hände fallen.“
„Dein Vorschlag ist gut!“ meinte Menas erleichtert. Xoras‘ Worte hatten ihn ein wenig beruhigt. „Aber was ist mit Loara? Ich muss sie wieder haben, verstehst du? Jetzt erst recht!“
„Das wird schwer werden, Herr, denn sie ist meiner Macht entzogen“, antwortete Xoras.
„Bist du ein Magier oder bist du keiner?“ fuhr Menas auf. „Ich will die schöne, hochmütige Loara haben! Nicht umsonst will ich so lange den zahmen Hampelmann für sie gespielt haben. Sie soll erfahren, was es bringt, vor mir solange die Spröde zu spielen.“
„Ich kann Euer Verlangen zwar verstehen“, sagte Xoras, aber ein ungehaltener Unterton lag in seiner Stimme, der Menas mit Unbehagen erfüllte, „doch ich denke, dass es zunächst einmal wichtiger ist, die Bedrohung abzuwenden, als ans Vergnügen zu denken.“
„Gut, gut, mach nur, was du für richtig hältst!“ beschwichtigte Menas. Obwohl er meist großspurig über Xoras bestimmte und dieser stets seinen Befehlen nachkam, wurde der König doch eine geheime Furcht vor diesem undurchsichtigen Mann nicht los. Daher versuchte er stets, Xoras bei guter Laune zu halten.
„Dann erlaubt, dass ich mich in meine Gemächer
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