Der Gesandte der Götter (German Edition)
dem gleichen Weg zu Leoris zurück.
„Wie fühlt Ihr Euch, Chiron?“ fragt Leoris. „Euer Rücken sieht entsetzlich aus!“
„Das Wasser hat mir gut getan“, antwortete Chiron. „Ich fühle mich soweit gekräftigt, dass ich Euch nun alles erzählen kann, was die Fragen beantwortet, die Euch bestimmt gekommen sind.“
Und nun begann er, Leoris seine Geschichte von Anbeginn zu erzählen. Als er zu seiner Begegnung mit Loara kam, schonte er sich nicht und bekannte Leoris seine Verfehlung. Als der Prinz hörte, was Chiron getan hatte, sprang er zornbebend auf. Doch dann fiel sein Blick auf den geschundenen Körper Chirons und er ließ sich wieder nieder.
„Fahrt fort!“ knurrte er. „Darüber sprechen wir später!“
Chiron sprach weiter. Es war, als müsse er Leoris alles sagen, was sein Herz bewegte. Er glaubte, dass der Prinz der letzte Mensch sein werde, mit dem er vor seinem Tod noch würde reden können. Er gestand Leoris, wie sehr er Loara liebte und wie er unter seiner Schuld litt.
„Selbst wenn Euer Vater mir Eure Befreiung nicht zu Bedingung gestellt hätte – ich würde alles versucht haben, um Euch zu retten!“ schloss er. „Es schien mir das einzige, womit ich gutmachen konnte, was ich an ihr gesündigt habe. Doch nun habe ich versagt und werde sterben, ohne mein Ziel erreicht zu haben. Falls Ihr je wieder zu Eurem Vater zurückkommt, sagt ihm, dass ich mich für mein Versagen schäme. Er soll die Qualen, die Menas mich zweifellos erdulden lassen wird, als Sühne nehmen. Mehr kann ich ihm leider nicht mehr anbieten.“
Resignierend und verzweifelt legte Chiron den Kopf auf die angezogenen Knie und schwieg. Auch Leoris hing seinen Gedanken nach. Er musste all die Neuigkeiten erst einmal verdauen. Also war Loara gerettet und beim Vater in Sicherheit. Menas hatte nicht mit Leoris gesprochen, seit er ihn in den Kerker hatte werfen lassen. Daher hatte der Prinz von alldem nichts gewusst.
Leoris war sich nicht im Klaren darüber, wie er zu Chiron stand. Auch er grollte ihm wegen Loara, aber andererseits fühlte er, wie sich sein Herz mit Verständnis für diesen Mann füllte, der so viel Unrecht hatte erdulden müssen. Und nun bedrohte diesen Unglücklichen auch noch ein grausamer Tod, nur weil er versucht hatte, ein seinerseits begangenes Unrecht wiedergutzumachen. Je mehr Leoris mit Chiron mitzufühlen begann, desto größer wurden sein Hass und sein Zorn auf den Verräter Menas. In ohnmächtiger Wut begann er an seinen Ketten zu zerren. Chiron, der Leoris‘ Wutausbruch auf sich bezog, hob den Kopf.
„Ich kann Euren Zorn gut verstehen, Prinz Leoris“, sagte er leise, „und gern würde ich Euch zugestehen, mich für meine Tat zur Rechenschaft zu ziehen. Begnügt Euch damit, dass Menas Eure Rache in tausendfacher Art an mir vollziehen wird. Schon heute Abend werdet Ihr Genugtuung erhalten, denn Menas liebt es, Zuschauer bei seinen Grausamkeiten zu haben. Ihr werdet noch oft Gelegenheit haben, mich für meine Schuld büßen zu sehen, denn Xoras wird mir nicht vergönnen, schnell zu sterben. Viel zu groß ist sein Hass auf mich, weil ich ihn einst von meinem Hof jagte.“
„Wie könnt Ihr nur glauben, ich würde mich an Euren Qualen weiden!“ fuhr Leoris auf. „Haltet Ihr mich für genauso niederträchtig wie Menas? Nicht Zorn oder Rachegelüste gegen Euch erregten mich, denn Loara hat Euch vergeben, wie ihr sagt. Aber die Ungerechtigkeit der Götter bringt mich in Rage, die solche Untaten zulässt und Schlangen wie Xoras und Menas nicht zertritt, ehe sie ihr Gift verspritzen können. Die Frevel an einem Mann wie Euch müssten den Göttern wie der Gestank der Pest in die Nase steigen. Bei allen Dämonen! Warum sind diese Fesseln so stark, dass ich sie nicht zerbrechen kann!? Mit meinen bloßen Händen würde ich diese beiden Kreaturen erwürgen!“
„Versündigt Euch nicht gegen die Götter, Leoris!“ mahnte Chiron. „Nicht sie sind schuld an meinem Unglück und auch nicht an dem Euren. Ich allein trage die Verantwortung für unser beider Schicksal. Die Götter gaben mir die Chance, mein Geschick zum Guten zu wenden, hätte ich nur nicht versucht, Loara für meine Rache an Menas zu benutzen. Sie haben mich sogar warnen lassen vor einem solchen Schritt. Hätte ich Eure Schwester nicht entführt, wäret Ihr jetzt wohl schon längst wieder sicher in Eurem Heimatland.“
„Und Loara wäre in den Händen dieses Unholds!“ versetzte
Weitere Kostenlose Bücher