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Der Gesandte der Götter (German Edition)

Der Gesandte der Götter (German Edition)

Titel: Der Gesandte der Götter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Galen
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angesichts dieser Grausamkeit ließ ihn sein eigenes Schicksal beinahe vergessen.
    Doch dann fiel Leoris etwas ein. Wie hatte Menas den Mann genannt? Chiron und Bruder? War das denn die Möglichkeit? Sollte dieser Mann wirklich der verschollene König Chiron sein, von dem jeder glaubte, er sei tot?
    Wie Schuppen fiel es Leoris von den Augen. Darum war Chiron also verschollen! Menas hatte dabei seine Hand im Spiel gehabt, und nun musste Chiron durch Zufall wieder aufgetaucht sein und war wiederum in Menas‘ Klauen gefallen. Welch eine verhängnisvolle Fügung! Doch warum hatte Menas gesagt, Chiron habe ihn, Leoris, retten wollen? Wie konnte Chiron von ihm und seiner Gefangennahme wissen? Leoris konnte sich keinen Reim darauf machen.
    Doch da rührte sich Chiron. Seine Hände krallten sich um die Ketten und er begann wieder zu stöhnen. Dann war er wieder voll bei Bewusstsein. Mühsam und mit zusammengebissenen Zähnen krampfhaft den Schmerz unterdrückend begann er zu sprechen:
     
    „Hört Ihr mich, Leoris? Könnt Ihr mich verstehen? Ich kann Euch leider nicht sehen.“
     
    „Ja, Chiron, ich höre Euch. Doch sprecht jetzt nicht. Es strengt Euch zu sehr an“, antwortete Leoris.
     
    „Ich muss sprechen“, keuchte Chiron, „solange ich noch die Kraft dazu habe! Es ist wichtig für Euch. Also hört genau zu: Es gibt einen Geheimgang aus dem Schloss.“ Er beschrieb Leoris genau, wie der Gang zu finden war. „Vielleicht gelingt es Euch eines Tages zu entkommen, wenn Menas mich umgebracht hat und Eure Bewachung lascher wird. Sagt Eurer Schwester, ich hätte mein Möglichstes getan, um mein Versprechen einzulösen und meine Schuld zu sühnen. Und sagt ihr, dass ich sie nochmals um Vergebung …“ Sein Kopf sank nach vorn. Er hatte wieder die Besinnung verloren.
     
    Nun war Leoris völlig verwirrt. Woher kannte Chiron Loara? Und was für ein Versprechen hatte er ihr gegeben? Und welche Schuld mochte er auf sich geladen haben?
    Chiron kam nicht wieder zu sich, und Leoris schlief über seinen Grübeleien ein.
     
    Am Morgen kamen zwei Soldaten, die den Gefangenen Brot und Wasser brachten. Chiron hing immer noch bewusstlos in seinen Fesseln. Die Wachen nahmen ihn von dem Haken ab und er fiel schwer auf den Boden nieder. Einer der Männer schüttete einen Krug Wasser über ihm aus, worauf er die Augen aufschlug. Seine geschwollene Zunge leckte die wenigen Tropfen auf, die seine aufgesprungenen Lippen benetzt hatten. Als der Mann das sah, lachte er höhnisch.
     
    „Mehr Wasser haben wir für dich nicht. Wir brauchten deine Ration leider, um dich zu wecken. Aber vielleicht bringt dir der König einen Becher Wein, wenn du ihn schön darum bittest.“ Brutal riss der Soldat an Chirons Handfesseln und befestigte sie an einer Kette, die im Boden verankert war. „Mach es dir bequem!“ sagte der andere Mann. „Wenn Menas heute Abend zur Visite kommt, wird es wohl etwas ungemütlicher für dich werden. Also ruh‘ dich aus, damit er Freude an dir hat!“
     
    Dann verließen sie den Kerker. Noch durch die Tür hörte man ihr Gelächter. Leoris war außer sich vor Zorn. Er sah, dass der verletzte Chiron Durst hatte.
     
    „Diese Schinder!“ fluchte er. „Hätte ich nur meine Hände frei! Doch wartet, Chiron, ich habe eine Idee! Mein Krug ist sehr bauchig. Wenn ich den Henkel abschlage, kann ich ihn vielleicht zu Euch hinüberrollen. Es wird genug Wasser in der Wölbung bleiben, dass Ihr Euren Durst löschen könnt.“
     
    Er trank einige Schlucke aus dem vollen Krug und schlug dann vorsichtig an der Wand den Henkel ab. In Chirons matte Augen trat ein Funken Interesse. Er setzte sich mühsam auf und lehnte sich vorsichtig mit der Schulter gegen die Wand, wobei er vor Schmerzen das Gesicht verzog.
     
    „Bedenkt, dass der Krug im Bogen rollen wird“, sagte er heiser.
     
    „Ja, das habe ich schon eingerechnet. Ich werde ihn so rollen, dass Ihr ihn erreichen könnt“, antwortete Leoris. Er legte den Krug auf die Seite. Das Wasser schwappte heraus, doch in der starken Wölbung des Bauches blieb ein Rest. Leoris gab dem Krug einen Stoß, und er rollte im Bogen auf Chiron zu. Chiron kroch dem Krug entgegen und konnte ihn wirklich erreichen. Hastig setzte er ihn an die Lippen und trank ihn leer.
     
    „Ich danke Euch, Leoris!“ sagte er dann. „Doch nun werde ich Euch den Krug zurücksenden, denn wenn die Wächter den Trick bemerken, werdet auch ihr kein Wasser mehr erhalten.“ Damit beförderte er das Gefäß auf

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