Der Gesandte der Götter (German Edition)
solcher Kampf würde viel Blutvergießen bringen“, gab Chiron zu bedenken. „Ihr habt am eigenen Leib erfahren, wie groß die Macht ist, die Menas durch Xoras‘ Hilfe errungen hat.“
„Wir sterben lieber, Herr, als noch länger diese Tyrannei und Knechtschaft zu erdulden“, sagte Rallin, und in seinen Augen las Chiron, dass es dem alten Bauern damit ernst war. „Es gärt schon länger überall im Volk, und ich weiß, dass sich schon im Geheimen der Widerstand regt. Gar zu arg hat es Menas in der letzten Zeit getrieben! Allein die Gräueltaten, die begangen wurden, um das Geld für das Hochzeitsfest einzutreiben, schreien schon nach Vergeltung. – Verzeiht, Prinzessin, Ihr werdet es nicht wissen“, wandte er sich an Loara, „aber viele haben für das Geschmeide, dass Menas Euch zur Morgengabe bestimmt hat, ihre Ersparnisse verloren oder sogar ihr Leben lassen müssen. Und ich darf nicht daran denken, wie viele Menschen wohl Hungers sterben werden, weil Menas seine Vorratskammern für die Hochzeitsgäste füllen ließ.“
Loara war bei Rallins Worten bleich geworden. Sie schlug die Hände vors Gesicht und begann zu weinen. „Das wusste ich wirklich nicht!“ schluchzte sie. „Hätte ich derartiges geahnt, nie hätte ich eingewilligt, Menas‘ Frau zu werden!“
„Wie kannst du die Prinzessin nur so erschrecken!“ fuhr Elina ihren Mann an. „Das arme Lämmchen kann doch nichts dazu.“
Sanft legte sie Loara den Arm um die Schulter und strich ihr tröstend übers Haar. Da warf Loara sich an die Brust der mütterlichen Frau und begann noch heftiger zu schluchzen. Leise auf sie einredend, zog Elina sie von der Bank hoch und geleitete sie hinaus. Betreten schweigend senkte Rallin den Kopf. Auch Leoris und Chiron schwiegen.
Auf einmal schaute Rallin auf. „Verzeiht mir, Prinz Leoris!“ sagte er leise. „Ich wollte Eure Schwester nicht kränken. Aber allzu viel haben wir in der letzten Zeit erdulden müssen, da wird man leicht ungerecht.“
„Hüte dich davor!“ sagte Chiron ernst. „Ich habe erfahren müssen, wie viel Schmerz es einem selbst bereiten kann, ungerecht gegen Unschuldige zu sein.“
Da kam Elina zurück. Böse blickte sie ihren Mann an. „Das arme Kind ist ganz verstört“, sagte sie heftig. „Dass du mir ja nie wieder so etwas sagst! Sie hat genug durchgemacht, das arme Ding. Nun musst du ihr nicht auch noch Kummer zufügen. Zu erfahren, dass der Mann, den man liebt, ein solches Ungeheuer ist, ist wohl schon schlimm genug. Zum Glück hat sie sich ein wenig beruhigt.“
„Sie hat Menas nicht geliebt“, widersprach Leoris. „Sie ist nur sehr eigensinnig und wollte ihren Kopf durchsetzen, da mein Vater und ich ihr von dieser Heirat abgeraten hatten. Jetzt sieht sie, was sie dadurch angerichtet hat, und fühlt sich schuldig. Das ist es, was sie quält!“
„Sie ist nicht schuld, Herr“, sagte Rallin. „Hätte nicht Prinzessin Loara ihr Ja-Wort gegeben, wäre eine andere Herrin in Varannia geworden und es wäre genau dasselbe geschehen. Redet ihr das aus und bittet sie für meine unbedachten Worte um Verzeihung. Ich wollte sie nicht kränken! Wir verdanken ihr schließlich die Rettung unseres rechtmäßigen Herrschers. Dafür mögen die Götter sie segnen und mit allem Glück der Erde beschenken!“
„Lass es jetzt gut sein, Mann!“ unterbrach ihn Elina. „Ich glaube, König Chirons wird wissen, was er ihr verdankt, auch ohne dass du darauf hinweist. Bedenke, dass du ein einfacher Landmann bist und nicht der Ratgeber des Königs!“
„Ich weiß nur zu genau, was ich der Prinzessin schulde und wie viel ich ihr verdanke“, sagte Chiron leise. Dann stand er abrupt auf und wollte hinausgehen. Elina hielt ihn jedoch zurück.
„Herr, Eure Wunden!“ rief sie besorgt. „Ihr müsst Euch jetzt verbinden lassen. Wie wollt Ihr weiter auf den Beinen bleiben, wenn sie nicht behandelt werden?“
„Ja, du hast Recht, Mutter Elina!“ Chiron folgte der Frau in die Schlafkammer. „Doch du hast mich gerade an ein großes Unrecht erinnert, dass ich begangen habe und dass ich nun nie werde gutmachen können. Denn Prinzessin Loara hat das vollbracht, was mir auferlegt war, um dieses Unrecht zu sühnen. Nun wird der Makel stets auf meiner Ehre liegen und ich werde ihn tragen müssen bis an mein Lebensende. Mit deinen Worten hast du mir das ins Gedächtnis zurückgerufen. Aber du hast mir damit auch geholfen, einen Entschluss zu
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